Wissenschaften

Ein archäologisches Kompendium

Die Archäologie ist diejenige Wissenschaft, die Tote zum Reden bringt und längst vergessene Kulturen vor dem geistigen Auge wieder aufblühen lässt. Doch wie arbeiten diese Wissenschaftler konkret und was leisten sie tatsächlich, um Verschüttetes und Vergessenes aus den Tiefen der Erde wieder hervorzuholen? Welches sind die bedeutendsten Errungenschaften, die Archäologen sich zugutehalten können? Auf diese und viele weitere Fragen gibt Aedeen Cremin im vorliegenden Kompendium der Archäologie Antworten.

Dr. Aedeen Cremin ist eine promovierte Archäologin, die in der Vergangenheit an der Universität von Sydney dozierte. Aktuell verschreibt sie sich jedoch der praktischen Arbeit und forscht im Rahmen des "Greater Angkor Project" im Herzen Kambodschas. Die vorliegende "Große Enzyklopädie der Archäologie" ist die deutsche Ausgabe des bereits 2007 im englischen Original erschienenen "Archaeologica - The World´s Most Significant Sites and Cultural Treasures". Leider hat das Werk im Rahmen der deutschen Veröffentlichung keine inhaltliche Überarbeitung erfahren, so dass man ihm an einigen Stellen leider anmerkt, nicht auf dem allerneuesten Stand zu sein. So dichtet man beispielsweise dem legendären Ötzi an, dass er in einem überraschenden Schneesturm ums Leben gekommen sei. Jedoch weiß man in der Zwischenzeit, dass er ausschließlich an den Folgen einer Pfeilattacke starb.

Dennoch sei dem herausgebenden Theiss Verlag der Dank ausgesprochen, dass überhaupt solche Werke aus dem englischsprachigen Raum ihren Weg in die deutschen Bücherregale finden und interessierte Leser hierzulande beglücken. Ein Buch wie das vorliegende ist gerade aufgrund seines anders gearteten Blickwinkels für mitteleuropäische Hobbyarchäologen sehr lesenswert, da man mit der australischen Brille versehen die Erdkugel von der anderen Seite her betrachtet und so naturgemäß auch einen gänzlich anderen Fokus auf wichtige und unwichtige Archäologiestätten dieser Erde hat.

Hiesige Leser werden die deutsche Perspektive unter den 155 ausgewählten archäologischen Stätten lediglich mit einem Repräsentanten vertreten vorfinden, nämlich dem Neandertaler-Fund in der Feldhofer Grotte östlich von Düsseldorf. Aedeen Cremin lässt darüber hinaus kaum ein gutes Haar an einem der bedeutendsten deutschen Archäologen: Zweifelsohne war Heinrich Schliemann ein streitbarer, aber dennoch erfolgreicher Archäologe, der mit seiner Ausgrabung Trojas für ein Highlight der Archäologiegeschichte gesorgt hatte." Derjenige Leser, der sich mit manchen archäologischen Fundstätten bereits intensiver auseinandergesetzt hat, wird durchaus kleinere Schwächen im Detail entdecken, was bei der Fülle an bereitgestellten Informationen jedoch verziehen werden kann.

Die "Große Enzyklopädie der Archäologie" ist ein prächtiger und schwergewichtiger Band, der durch eine gelungene Illustration besticht, die eine angemessene Balance zum Text herstellt. Die von Aedeen Cremin getroffene Auswahl lässt einen im Buch munter vor und zurück springen, da man kaum weiß, an welchem Thema man zuerst Halt machen möchte. Im Angebot hat Cremin so einiges, das entdeckt werden möchte: Da wären die sagenumworbene Terrakotta-Armee oder die Steinfiguren auf den Osterinseln, Vermächtnisse vergessener Kulturen wie Machu Picchu als Erbe der Inka oder Wat Angkor, die Tempelanlagen der Khmer. Pergamon und Babylon, die beiden klassischen Highlights aus dem Orient fehlen genauso wenig wie die spannenden Geschichten, die Troja und Pompeji nach ihrer Freilegung aus dem gut konservierten Zustand zu erzählen haben. Mit Tutanchamuns Grab heftet man sich an die Fersen Howard Carters oder blickt fasziniert auf den Stein von Rosette, der einst einen der spektakulärsten Erfolge der Archäologie, nämlich die Entzifferung der Hieroglyphen, ermöglichte.

Aedeen Cremin hat für ihr Werk einen sehr logischen Aufbau gewählt. In einem einleitenden allgemeinen Teil über knapp 50 Seiten werden grundlegende Fragen der Archäologie thematisiert und beantwortet, bevor Cremin die Geschichte der Archäologie und einige ihrer Protagonisten in der gebotenen Kürze nachzeichnet. Auch erhält der Leser noch einen Einblick in verschiedene Techniken aus dem Repertoire des Archäologen. Der Hauptteil, der einem die erwähnten 155 Stätten mit den Highlights der Archäologie näherbringt, ist nach den fünf Erdteilen gegliedert. Aus der hiesigen Perspektive wird man dabei einiges an Neuland betreten, wenn man sich auf so manche unbekannte australische oder afrikanische Ausgrabungsstätte begibt.

Das vorliegende Werk besticht vor allem durch eine sehr gute intuitive Verwendbarkeit seitens des Lesers. Die Weltkarte mit den darauf markierten 155 Spots befindet sich sowohl im vorderen wie auch im hinteren Teil des Buchs und ermöglicht einem stets die benötigte Orientierung. Dazu stößt man auf weitere hilfreiche Informationen, die einen die Fülle an Neuigkeiten besser einordnen lassen, wie etwa die detaillierte Zeitleiste der Archäologie. Cremin möchte sich auch nicht mit fremden Federn schmücken, sondern liefert bereits eingangs eine sorgfältige Auflistung aller mitwirkenden Wissenschaftler. Am Ende des Buches findet der interessierte Leser ein detailliertes Literaturverzeichnis und ein sehr umfangreiches Glossar.

Trotz einiger kleinerer Defizite, die der immensen Fülle und der Aktualität der Ereignisse geschuldet sind, trifft die "Große Enzyklopädie der Archäologie" sehr gut den Bedarf interessierter Hobbyarchäologen, die einen Einstieg in die Materie suchen und sich einen generellen Überblick über die Faszination dieser Wissenschaft verschaffen möchten.

Christoph Mahnel 
29.04.2013

 
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Das Buch:

Aedeen Cremin: Große Enzyklopädie der Archäologie - Die wichtigsten archäologischen Stätten der Welt. Aus dem Englischen von Iris Newton

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Stuttgart: Theiss Verlag 2013
400 S., € 49,95
ISBN: 978-3-8062-2753-6

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