Hörbücher
Schwedenkrimi als zip-Datei
In Stockholm treibt ein perfider Serienmörder sein Unwesen. Von langer Hand scheinen seine Opfer ausgewählt zu sein. Er filmt die Frauen in ihrem eigenen Zuhause, lädt die Videos nach YouTube hoch und informiert die Polizei, bevor er seine bestialischen Taten an den gefilmten Frauen verübt. Die Polizei hat in dem Hase-und-Igel-Spiel jedoch stets das Nachsehen. Die Ermittlungen werden von der hochschwangeren Margot Silverman geleitet, da der etatmäßige Protagonist Joona Linna für tot gehalten wird. Die an den Opfern vorgenommenen Hinrichtungen erinnern stark an einen länger zurückliegenden Fall. Der Täter konnte damals dingfest gemacht werden und sitzt auch heute noch im Gefängnis ein.
"Ich jage dich" ist der mittlerweile fünfte Roman aus der Joona-Linna-Reihe von Lars Kepler. Der Autor ist jedoch kein nach Skandinavien ausgewanderter Nachfahre des deutschen Astronomen. Stattdessen handelt es sich bei Lars Kepler um ein Pseudonym, hinter dem sich das schwedische Autoren-Ehepaar Alexandra und Alexander Ahndoril verbirgt. Vor fünf Jahren reüssierten sie mit ihrem Debüt "Der Hypnotiseur" und einem charismatischen Protagonisten namens Joona Linna. Fünf Jahre später hat dieser bereits mehrere Fälle erfolgreich lösen können und viele Krimifreunde in Europa begeistert hinter sich geschart. Der vierte Roman mit dem Titel "Der Sandmann" ließ mit einem offenen Ende die Zukunft Linnas in den Sternen stehen.
An dieser Stelle ist natürlich nicht zu viel verraten, dass hier wie einst schon der Zauberer Gandalf in "Der Herr der Ringe" ein Schlüsselcharakter quasi von den Toten auferstehen wird, um den Lebenden bei ihrer Mission zu helfen. Dennoch gewähren die Autoren im vorliegenden Fall nicht Joona Linna, sondern dem Hypnotiseur Erik Maria Bark den größten Raum. Der Kenner der Serie wird sofort aufhorchen, denn Bark war schließlich jener Hypnotiseur, der für den Auftakt-Band namensspendend war und dort bereits eine wichtige Rolle spielte. In "Ich jage dich" gerät er nun aus unterschiedlichen Gründen in das Zentrum der Ermittlungen. Zum einen war er derjenige, der die Aussage des mutmaßlichen Täters aus dem zurückliegenden Fall per Hypnose erzielt hatte, diese sich aber anscheinend nun doch nicht als haltbar erweist, zum anderen hat Bark unterschiedlich geartete Verbindungen zu allen Frauen, die der Serienmörder dieser Tage hinrichten lässt. Linna ist allerdings von Barks Unschuld überzeugt und begibt sich mit ihm auf eine äußerst offensive Täterjagd jenseits jeglicher Legalität.
Die vorliegende Hörbuchfassung wird wie auch alle vorherigen Joona-Linna-Romane von Wolfram Koch gelesen. Auf sechs CDs wurde die 688-seitige Buchvorlage gepresst und in knapp siebeneinhalb Stunden durchgejagt. Handwerklich wurde der Auftrag von Lübbe Audio wie immer gut umgesetzt, doch wirft diese Vertonung wieder einmal die Frage auf, ob man bei Hörbüchern auf gekürzte Fassungen oder vollständige Lesungen setzen sollte. Dass wie im vorliegenden Fall der Strang um Linnas sympathische Kollegin Saga Bauer, die in "Ich jage dich" zwar nur als Sidekick fungiert, komplett ausgespart wird, mag man sicherlich noch verzeihen und verschmerzen können. Doch wirkt die arg komprimierte Fassung an vielen Stellen sehr zusammengestückelt und treibt recht unharmonisch voran. Einen Königsweg bei dieser Gretchenfrage für Hörbücher gibt es sicherlich nicht, doch sollten einmal eingeschlagene Wege nicht beständig weiterverfolgt werden, sondern jedes Mal aufs Neue entschieden werden.
Joona Linna und Erik Maria Bark nehmen im Laufe der Handlung ordentlich Fahrt auf, wenn sie in Wild-West-Manier und mit Scheuklappenblick bedingungslos den Täter stellen wollen, ohne sich um die Kollateralschäden links und rechts des Weges zu scheren. Darüber hinaus birgt die Lesung Wolfram Kochs bei der Aufsuchung eines der zahlreichen Opfer ein wahres Gänsehaut-Highlight. An besagter Stelle sollte man tunlichst viel Tageslicht und auch Menschen in Reichweite um sich wissen. Alles in allem haben die Ahndorils alias Lars Kepler die Rahmenhandlung um Joona Linna zwar gehörig vorangetrieben, wenn auch eventuell in eine Sackgasse, doch ist "Ich jage dich" nicht wirklich aus einem logischen Guss gefertigt. Viel Brutalität prägt diesen neuesten Roman aus dem Schwedenlande, doch lassen die vorherigen Erfolgsromane definitiv die Vermutung nahe liegen, dass die Kurve für den sicherlich kommenden nächsten Fall wieder nach oben zeigen wird.
Christoph Mahnel
18.05.2015