Romane
Frühlingserwachen in Ungarn
Dieser historische Roman von Kató Kiss, der von Regina Rinaku redigiert wurde, führt uns nach Ungarn in der Zeit von 1907 bis 1919. Er widmet sich diesem besonderen Abschnitt der ungarischen Geschichte und damit auch dem europäischen Geschehen, das geprägt ist durch den Ersten Weltkrieg und die erstarkende Arbeiterbewegung.
Der Epilog des Romans verdeutlicht bereits den gravierenden Widerspruch im gesellschaftlichen System; es ist Frühling, aber für die Kinder, die in der Nähe des Schlosses der Grafenfamilie aufwachsen, ist diese schöne Jahreszeit eine Katastrophe. Diphtherie bricht aus und viele von ihnen sind dem Tod geweiht.
Die Hauptgestalt Terka ist ein unter ärmlichen Verhältnissen in der Puszta heranwachsendes Mädchen, das schon als Kind mit ihrem flammend roten Haarschopf ein Außenseiter ist, aber auch in frühen Jahren bereits durch ihre Ernsthaftigkeit auffällt. Ihre Mutter starb infolge der völlig unakzeptablen Lebensbedingungen und der Härte der Arbeit, als Terka drei Jahre alt war. Terka wird im Glauben zu Gott erzogen und bekommt immer wieder von ihrem Vater zu hören: "trage wie Christus getragen hat". Der Vater ist es auch, der ihren Entschluss, nach Budapest zu gehen, um eine Ausbildung zu beginnen, nicht akzeptiert. Terka aber folgt ihrer inneren Stimme und meint, dass sie diesen Schritt tun muss, denn sie will ihre Brüder Jani und Gyurka, die ebenfalls in Budapest wohnen und sich sozialdemokratischen Ideen zugewandt haben, "aus den Klauen des Satans befreien". Bald jedoch verteidigt sie ihre Brüder gegenüber ihrer Lehrerin in der Gewerbeschule, denn sie merkt, dass diese nichts Schlechtes getan haben. Außerdem ist es auch ihr Wunsch, das Leben der Menschen auf dem Dorf mit den erbärmlichen beengten Wohnverhältnissen zu verbessern. Nach Abschluss ihrer Lehre als Schneiderin arbeitet sie unter anderem als Näherin für die Direktoren des heimatlichen Gutes. Als der Direktor die Arbeiter seines Gutes als Halbtiere bezeichnet, wird ihr bewusst, dass Menschen ihrer sozialen Herkunft keinerlei Wertschätzung erfahren und total erniedrigt und gedemütigt werden.
Der Erste Weltkrieg verändert die Situation entscheidend. Terka gerät in der Hauptstadt in den Strudel der politischen Ereignisse, erlebt Demonstrationen und Erschießungen, hört in den Straßen Lieder und Gesänge wie das Kossuthlied und die Internationale. Sie verliert drei Brüder im Krieg, auch ihren Lieblingsbruder Gyurka, der nach seiner Walz in der Schweiz gelebt und ihr von den Fortschritten in diesem Land berichtet hatte. Sie nimmt ihm das Versprechen ab, in die Schweiz zu fahren, um dort Demokratie zu lernen und diese nach Ungarn zurücktragen zu können.
Das Bild des Frühlings zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Es ist der Frühling, der für Terka bei einer Reise zum Vater und dem Onkel einige Überraschungen bereithält. Und schließlich ist es im Frühling 1919, als in Ungarn die Räterepublik gegründet wird.
Es ist, als ob auch in Terka der Frühling erwacht ist, denn sie weiß jetzt, was es heißt, Sozialist zu sein, sie selbst ist jetzt in der Gewerkschaft aktiv, hält Vorträge, spricht auf Versammlungen und wird später Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Sie sieht keinen anderen Lebenszweck, als zu vermitteln und zu helfen, für die Menschen auf der Puszta ... menschenwürdige Lebensbedingungen herbeizuführen (siehe Seite 363). Diesem Ziel ordnet sie alles unter und ist auch nicht bereit, eine Ehe einzugehen.
Später löst sie das Versprechen ein, das sie ihrem Bruder Gyurka gab, und reist in die Schweiz, wo sie als Schneiderin arbeitet. Die Lebensverhältnisse auf der Puszta haben sich zum Guten gewendet. So gesehen ist auch hier Frühling und mit ihm neue Hoffnung erwacht.
Dr. Helga Miesch
17.03.2014