Romane
Vom Abdriften in der Provinz
Erst einmal abspannen m?chte der jugendliche Ich-Erz?hler in Magnus Mills zweitem Roman, ehe er mit seinem Motorrad gen Indien brausen will. So der Plan. Doch das eigenartige an Pl?nen ist, dass sie sich meistens problemlos aufschieben lassen.
Er befindet sich auf einem Campingplatz am See im Nordosten Englands, allein mit den verschrobenen Typen des nahen Ortes - denn ?ber Nacht sind pl?tzlich alle anderen Urlauber verschwunden. Zun?chst m?chte er dem Campingplatzbesitzer einen Gefallen tun und streicht das Tor, vergie?t aber aus Unachtsamkeit Farbe und wird aus schlechtem Gewissen und mangelndem Widerspruchsgeist schnell in diverse T?tigkeiten hineingetrieben. Und ehe er sich versieht, ist er de facto Angestellter des Campingplatzbesitzers, macht die Hausaufgaben der jugendlichen Tochter und in der ?rtlichen Dartmannschaft ist er sowieso schon fest eingeplant. Es gibt ja so viel zu tun: abgetriebene Boote einsammeln, Stege ausbessern, Boote streichen, Holz s?gen, Anker basteln, und als bei der Versenkung desselben auf tragikkomische Weise der ?rtliche Milchmann ertrinkt, ahnen wir, welchen Job er als n?chstes erledigen wird. Auf geradezu unversch?mte Weise wird die Frage nach einer angemessenen Bezahlung immer wieder vertagt. Aber der monet?re Zahlungsverkehr scheint in dieser Gegend unter Einheimischen wohl auch gar nicht mehr ?blich zu sein: man hat hier in vielen Bereichen zum altbew?hrten Tauschhandel zur?ckgefunden. Die Landleute bleiben sich gern was schuldig, um es irgendwann durch ben?tigte andere G?ter und Dienstleistungen auszugleichen. Oder eben nicht, denn unser Ich-Erz?hler widerspricht ja nicht und wird, wie soll es anders sein, verhandelt, ehe er es so recht begreifen mag.
Magnus Mills spielt gekonnt und leicht mit der Kunst des Absurden, er arrangiert kurze Dialoge mit lakonisch-grotesken Erz?hlpassagen zu einer Aussichtslosigkeit des erz?hlenden Helden, der es nicht vermag, sich aus den diversen Abh?ngigkeiten zu l?sen. Was immer wieder zum Lachen verf?hrt. Gegen Ende des Romans taucht schlie?lich ein junger Kerl auf, der gerade aus Indien kommt, auch schon f?r den Campingplatzbesitzer gearbeitet hat, die Verh?ltnisse f?r sich aber offensichtlich besser zu nutzen versteht und ihn fragt: "Willst du dein Leben lang so bescheuert bleiben?" Wir dr?cken jedenfalls beide Daumen, dass er irgendwann doch noch nach Indien kommt.
Fra
01.07.2002