Romane
Krähen leben am besten , wenn sie frei sind
Manche Geschichten sind bekanntlich wahr, andere erfunden und wieder andere ein wenig von beidem. "Das Krähenweib" kann problemlos als Beispiel für letztere Variante gezählt werden. Die deutsche Autorin Corina Bomann hat sich die Geschichte des in der Frühen Neuzeit wirkenden Alchemisten Johann Friedrich Böttger zur Vorlage genommen. Nach anfänglichen Versuchen, sich als Goldmacher zu verdingen, begnügte er sich schließlich damit, die Herstellung des berühmten Meißner Porzellans zu ermöglichen. Doch damit nicht genug. Wie Bomann im Nachwort anmerkt, gefiel ihr die Idee, Böttger eine Frau an die Seite zu stellen - und offensichtlich auch, sie zur Titelheldin des Buchs zu machen.
Deutschland im frühen 18. Jahrhundert: Annalena Habrecht ist das "Krähenweib". Die von ihren Mitbürgern geächtete Henkerstochter flieht vor ihrem sie brutal züchtigenden Ehemann aus dem niedersächsischen Walsrode nach Berlin. Dort angekommen findet sie schnell eine Stelle als Magd, doch hiermit sind Annalenas Schwierigkeiten nicht vorbei. Ihr Hausherr erweist sich als alles andere als wohlwollend und durch die Narben, die die Misshandlungen ihres Ehemanns hinterlassen haben, ist sie entweder als Verbrecherin oder als Hure gebrandmarkt. In ihrer neuen Heimat Berlin lernt Annalena Johann Friedrich Böttger kennen und die beiden verlieben sich ineinander.
Als es dem jungen Alchemisten tatsächlich gelingt, durch die Hilfe des mysteriösen Mönchs Lascarius, der vorgibt, den Stein der Weisen zu besitzen, Gold herzustellen, überstürzen sich die Ereignisse. Johann wird zum Spielball politischer Mächte und zu allem Übel gelingen ihm bald keine erfolgreichen Transmutationen, sprich alchemistische Verwandlungen, mehr. Als Friedrich I. Johann befiehlt, für ihn entweder Gold herzustellen oder zu sterben, fliehen Johann und Annalena aus Berlin, woraufhin ein Kopfgeld von 1000 Talern auf Johann ausgesetzt wird und das wahre Abenteuer für die beiden erst beginnt.
Corina Bomanns historischer Roman "Das Krähenweib" überzeugt mit einer unterhaltsamen Mischung aus Fakten und Fiktion und ist schwer aus der Hand zu legen. Bei der Ausarbeitung des Spannungsbogens hat Bomann sichtlich Sorgfalt walten lassen und Längen in der Handlung kennt der Roman nicht. Nur mancher Leser mag sich zusätzlich zu Bomanns klaren, sachlichen und überwiegend auf das Innenleben der Figuren gerichteten Erzählstil eine Handvoll mehr Atmosphäre und Stimmung verbreitende Passagen wünschen oder bemängeln, dass die Figur der betont tugendhaften und starken Annalena gelegentlich ein paar Ecken und Kanten vermissen lässt. Dem hohen Unterhaltungswert des Romans tut dies jedoch keinen Abbruch.
Johannes Schaack
26.04.2010