Romane

Liebe in siebzehn handgeschriebenen Silben

Siebzehn Silben - aus genau so vielen Silben besteht ein Haiku, eine japanische Gedichtform, die als kürzeste Gedichtform der Welt gilt. In wenigen Worten wird dabei die Gegenüberstellung des Unveränderlichen und des Vergänglichen angestrebt. Übliche Merkmale der Dichtkunst, wie zum Beispiel Reim und Metapher, werden bei Haikus vermieden. In Denis Thériaults Roman "Siebzehn Silben Ewigkeit" geht es genau um diese besondere Form der japanischen Dichtkunst, die sich zunehmend auch in unseren Kulturkreisen immer größerer Beliebtheit und Bekanntheit erfreut.

Thériaults Protagonist Bilodo, ein junger Briefträger aus Montreal, übt zwar seinen Beruf mit großer Leidenschaft aus, führt aber ansonsten eher das Leben eines Einsiedlers, dessen einziger Vertrauter ein Goldfisch ist. Seine Hobbys sind die Kalligraphie und das Öffnen fremder, handgeschriebener Briefe, die ihm bei seiner Arbeit in die Hände fallen. In der Abgeschiedenheit seiner Wohnung öffnet er nach Dienstschluss diese Briefe über Wasserdampf und taucht in die Welt der Korrespondierenden ein. Er schafft sich damit, wie er es nennt, seine ganz eigene Seifenoper. Wieder verschlossen wirft er diese Briefe mit einem Tag Verspätung in die Briefkästen ihrer Besitzer.

Auf diesem Wege stößt Bilodo auch auf die Korrespondenz zwischen Professor Grandpré und Ségolène, einer Lehrerin aus Guadeloupe. Die beiden kommunizieren ausschließlich über Haikus. Bilodo fühlt sich beim Lesen von Ségolènes Haikus seltsam berührt und zu ihr hingezogen. Immer mehr driftet er in eine Traumwelt ab, in der er nur noch auf die Briefe der karibischen Haikudichterin wartet. Als Grandpré bei einem Unfall ums Leben kommt, droht Bilodos Traumwelt zusammenbrechen. Um den Kontakt zu Ségolène nicht abbrechen zu lassen, muss er selbst das Haikudichten lernen und ihr in Grandprés Namen schreiben.

Ein ungewöhnlicher Liebesroman ist dem Kanadier Denis Thériault, der vor seiner schriftstellerischen Tätigkeit Psychologie studiert und als Schauspieler und Regisseur gearbeitet hat, mit "Siebzehn Silben Ewigkeit" gelungen. Voller Poesie, nicht ganz ohne Erotik und doch nicht nur ein Liebesroman: Bilodos Geschichte erzählt auch von der Faszination, die von Briefen, handgeschriebenen Worten und somit dem Leben fremder Menschen ausgeht.

Sabine Mahnel
12.10.2009

 
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Das Buch:

Denis Thériault: Siebzehn Silben Ewigkeit. Aus dem Französischen von Saskia Bontjes van Beek

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München: dtv 2009
154 S., € 13,90
ISBN: 978-3-423-24743-6

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