Romane
Die Narben der Kindheit
Marta ist Anfang dreißig und scheint ein ganz normales Leben zu führen: Sie hat einen netten, verständnisvollen Freund, eine schöne Wohnung und einen Job. Auf den ersten Blick sieht man ihr die Wunden, die ihr in ihrer Kindheit zugefügt wurden, nicht an. Ihr Vater hat sie, ihre beiden Schwestern Sophia und Katharina und ihre Mutter Greta jahrelang misshandelt, ihnen immer wieder psychische und physische Gewalt angetan. Wiederholt versuchte Marta, nachdem die Familie nach einem langen, beruflich bedingten Afrika-Aufenthalt wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, den Klauen des Vaters zu entkommen.
Als 15-Jährige gelingt Marta endlich die Flucht. Frei ist sie jedoch keinesfalls; die Drohungen des Vaters verfolgen sie weiterhin. Den Kontakt zu den Schwestern und der Mutter - von denen sie sich verraten fühlt - bricht sie komplett ab. Die Wunden sind so tief, dass sie selbst ihrem Freund nicht von ihrer Familiengeschichte erzählen kann. 17 Jahre nach ihrer Flucht erfährt sie von Katharina, die nach vielen Jahren des Schweigens den Kontakt zu ihr aufgenommen hat, dass ihr Vater im Sterben liegt.
Der Tod des verhassten und gefürchteten Vaters bringt nicht nur Erleichterung für Marta, er verlangt auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, die sie so viele Jahre mehr oder weniger erfolgreich versucht hat zu verdrängen.
Veronika Peters, die mit ihrem ersten Buch "Was in zwei Koffer passt" einen Bestseller geschrieben hat, erzählt in "An Paris hat niemand gedacht" in einem leisen, unaufdringlichen und doch so eindringlichen Ton die Geschichte eines Mädchens, das auch als erwachsene Frau noch unter den Qualen ihrer Kindheit zu leiden hat - ein Roman, der vom Zerbrechen und schwierigen Wiederfinden einer Familie handelt.
Sabine Mahnel
15.06.2009