Romane
Ein Lehrer im Kampf gegen seine Klasse und das französische Schulsystem
Frankreichs Schulen sind geprägt von Aggression und Aufsässigkeit der Schüler gegenüber ihren Lehrern. Die Lehrer stehen diesem meistens hilflos gegenüber. Die schwierige Situation ist (fast) ausschließlich mit Disziplinarmaßnahmen wie Verweisen und Ausschluss von der Schule in den Griff zu bekommen. Zumindest wird dieses Bild in François Bégaudeaus Roman "Die Klasse" vermittelt.
François Bégaudeau ist Lehrer für Französisch und Literatur in einem Problembezirk im Nordosten Paris. Ein Großteil seiner Schülerschaft besteht aus Migranten, besonders Chinesen und Afrikanern, die nicht den Sinn des Unterrichts für sich erkennen können. Der Lehrer versucht, seinen Schülern die französische Grammatik näherzubringen, doch kaum jemand hört ihm bei diesen Versuchen zu. Es wird geredet, gelacht und sich gegenseitig geärgert. Da bleiben Verweise und Strafarbeiten nicht aus. Doch Bégaudeau versucht immer wieder, seinen Schülern mit unkonventionellen Methoden näher zu kommen und Wissen zu vermitteln. Er versucht, seinen Schülern ins Gewissen zu reden und ihnen deutlich zu machen, dass sie arbeiten müssen, um etwas im Leben zu erreichen. Doch gehört Respekt gegenüber Erwachsenen ebenfalls zu dem, was den Schülern erst beigebracht werden muss. Dabei stoßen die Lehrer immer wieder auf ihre Grenzen.
Nicht nur der Austausch in den Unterrichtsstunden ist in diesem Roman von Bedeutung, sondern gleichermaßen die wenigen Momente im Lehrerzimmer, wenn sich die Lehrerschaft untereinander über die Klassen austauscht. Dabei wird deutlich, dass andere Klassen ähnlich sind wie die von Bégaudeau. Auch die anderen Lehrer müssen sich mit den Unaufmerksamkeiten ihrer Schüler abmühen. Doch nicht nur mit ihnen, sondern zudem mit der unkooperativen Zusammenarbeit des Kopierers und des Kaffeeautomats, der keine Centstücke annimmt, müssen sie sich in ihren wenigen Pausen auseinandersetzen. Zum Glück gibt es noch positive Momente: Zwei Lehrerinnen sind schwanger und ein Lehrer wird an eine bessere Schule versetzt. Und schließlich sind nicht alle Schüler geschwätzig und unaufmerksam, sondern einige arbeiten ernsthaft an Erfolgen.
Dieser Roman zeigt auf einprägsame Weise den Alltag an Frankreichs Schulen. Zeitweise stellt man sich als Leser sogar die Frage, warum sich die Lehrer dieser Situation entgegenstellen. So kämpft man dort gegen die Schüler wie Don Quijote gegen seine Windmühlen. Doch wird anhand einiger Erfolgsgeschichten gezeigt, dass sich manchmal die mühevolle Arbeit auch lohnt. Dialoge, die umgangssprachlich geprägt sind, dominieren das Buch. Es wird ein Eindruck gesprochener Sprache erweckt, wobei sich der Lehrer an seine Schüler anpasst. Die Verfilmung des Romans wurde bei den Filmfestspielen in Cannes 2008 mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.
Susann Fleischer
23.02.2009