Romane

Ein Juwel von der Strahlkraft eines besonders seltenen Diamanten, wenn nicht gar eines Sterns

Die elfjährige Nedda träumt davon, Astronautin zu werden. Wie ihr Vater Theo, der für die NASA arbeitete, bevor er wegen Umstrukturierungsmaßnahmen entlassen wurde, ist sie naturwissenschaftlich interessiert. Trotz seiner schrulligen und in sich gekehrten Art bewundert Nedda ihren Vater und saugt all sein Wissen über das Universum und die Raumfahrt begierig auf. Was sie allerdings durch ihre Kinderaugen noch nicht sehen kann: Theo ist wie besessen von seinen Forschungen und verbringt die meiste Zeit seines Lebens im Keller. Darüber vergisst er alle andere, vor allem seine Familie. Zu ihrer Mutter Betheen, studierte Chemikerin, aber seit Gründung der Familie im Wesentlichen auf ihre Kuchenexperimente in der Küche beschränkt ist, findet sie keine Verbindung.

Im Januar 1986 erlebt Nedda die Explosion der "Challenger" mit und ist erschütternd über den Tod der Besatzung. Die Folgen des Unfalls betreffen jedoch nicht nur die NASA, sondern auch Nedda und ihren gesamten Heimatort in Florida. Ihr Vater startete nämlich eine Zeitmaschine. Plötzlich gerät das Raum-Zeit-Gefüge völlig durcheinander. Die Stadt ist von nun an in einer Art Blase gefangen, in der Zeit manchmal schneller, manchmal langsamer vergeht. So altert Neddas bester Freund vor ihren Augen um Jahre, Bäume überwuchern innerhalb von Minuten die Stadt und Wasserleitungen sind sofort verrostet. Gemeinsam mit ihrer Mutter versucht Nedda, die Auswirkungen des Experiments rückgängig zu machen. Dabei lernen sich Mutter und Tochter neu kennen und lösen die Distanz, die all die Jahre zwischen ihnen herrschte, auf.

In nicht allzu weit entfernter Zukunft: Neddas sehnlichster Traum hat sich tatsächlich erfüllt. Sie ist Astronautin und auf dem Weg zu einem Planet, der zukünftig von Menschen besiedelt werden soll, um die Folgen der Naturkatastrophen auf der Erde zu kompensieren zu können. Sie und ihre drei Kollegen sind Pioniere und bereits vor dem Start des Raumschiffs "Chawla" war ihnen klar, dass es eine Reise ohne Wiederkehr sein würde. Nedda, die gegen den Willen ihres Vaters doch noch erwachsen wurde, fühlt sich an den Tag erinnert, als ihr Vater die Zeit anhielt, um sie zu schützen. Doch ein Lebenist erst lebenswert, wenn es neben Höhen auch Tiefen hat ...

Unterhaltung von solcher Grandiosität, dass es einem nicht nur den Atem, sondern auch die Sprache verschlägt - was Erika Swyler schreibt, ist Balsam für Herz und Seele. Die Geschichten kommen einer Verführung für alle Sinne gleich. Kaum "Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt" aufgeschlagen, erliegt man dieser voll und ganz. Die Story verspricht einen Genuss, wie man ihn nur alle paar Jahre erfahren darf. Darüber vergisst man die Welt vollkommen um sich herum. Was die Lektüre so besonders macht: Die Worte der Ausnahmeautorin besitzen eine ungeheure Sogwirkung. Sich dieser zu entziehen, ist partout unmöglich. Swylers Werke haben das Potenzial zu Klassikern, die man auch in zehn, zwanzig Jahren noch mit Begeisterung lesen wird. Einfach nur Weltklasse!

Erika Swylers Erzählkunst ist absolut betörend. Diese versetzt den Leser in einen Rausch ohnegleichen. Es gibt kaum etwas Schöneres, Wertvolleres, außerdem Berührenderes im Bücherregal als die Romane der US-Amerikanerin. "Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt" bedeutet Literatur, von der einem regelrecht schwindelig wird, und ist damit das größte Glück für jeden Leser. Swylers Geschichten treffen mitten ins Herz und drohen es, gleich ab dem ersten Satz, zu brechen. Einfach nur zum Seufzen!

Susann Fleischer 
06.04.2021

 
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Das Buch:

Erika Swyler: Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt. Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke

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München: Limes Verlag 2021 448 S., € 20,00 ISBN: 978-3-8090-2708-9

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