Krimis & Thriller

Ein Genuss von größter Seltenheit und von der Erzählkunst eines Heinrich Bölls

Martin Gödeler, wohnhaft in Stuttgart, Doktor der Mathematik und seit über 20 Jahren als Nachhilfelehrer tätig, macht Urlaub in Österreich. Mit ihm reist eine junge Frau. Susanne Melforsch kennt Gödeler noch von glücklicheren Zeiten. Damals, als er verheiratet war und für seine Tochter ein Idol. Damals, als er noch nicht mit seinen inneren Dämonen schwer zu kämpfen hatte. Damals, als sein Leben noch nicht wie ein Spiegel in Tausend Scherben zerbrach. Dass allerdings ist nichts im Vergleich zu dem, was Gödeler bevorsteht, als Susanne vermisst gemeldet wird. Er wird für ihr Verschwinden verantwortlich zu sein. Der Staatsanwalt möchte den Mathematiker unbedingt des Mordes überführen. Doch es kommt anders. Die Kontrolle über die Verhörsituation verschiebt sich unaufhörlich zugunsten des Verdächtigen.

Gödeler ist über die Maßen auskunftsfreudig. Was der Staatsanwalt zu hören bekommt, ist nicht weniger als die Lebensgeschichte des Verdächtigen. Ein Zahlengenie, dessen Leben stets von der Ekstase diktiert war, sei es in seinen Beziehungen zu Frauen, sei es im Aufgehen in der Mathematik. Als die Untersuchungshaft aufgehoben wird, verschwindet Gödeler spurlos. Was bleibt, ist das Protokoll einer höchst eigentümlichen Existenz, eines Lebens zwischen Genialität und Verwahrlosung. Seelische Abgründe offenbaren sich dem Leser. Seien es die drei Nachhilfeschüler, die mysteriöse Susanne oder Gödeler selbst. Hier wird viel erzählt, aber mit wenigen Worten. Beinahe ist es, als betrachte man ein Kammerspiel über Aufstieg und Fall eines Mathematikgenies, psychologisch ausgefeilt, raffiniert konstruiert, spannungsreich, literarisch vielfältig orchestriert.

Literatur mit der Suchtgefahr von Drogen - die Geschichten aus Michael Wildenhains machen noch mehr high als Kokain und Heroin zusammen eingenommen. Da will man nichts anderes mehr lesen! "Die Erfindung der Null" überrascht mit jeder Seite, außerdem so sehr wie kaum ein anderes Buch dieses Jahres. Hier erfährt man ein Vergnügen weit abseits des Mainstreams. Der deutsche Schriftsteller versetzt den Leser in einen geradezu euphorischen Ausnahmezustand. Ekstase pur bei der Lektüre seiner Werke! Jedes kommt einer unvergleichlichen, unvergesslichen, sinnlichen Verführung gleich. Dieser erliegt man nach nur wenigen Sätzen mit Haut und Haar, des Weiteren so sehr, dass man von der Welt um sich herum nicht mehr mitkriegt. Chapeau, vor Wildenhains schriftstellerischem Können! Eine echte Meisterleistung!

Michael Wildenhain schreibt auf literarisch höchstem Niveau. Es gibt nur wenige Autoren, die solch ein begabtes, absolutes grandioses Talent sind wie er. Seine Romane berauschen den Leser gleich ab dem ersten Satz. Von deren Lektüre wird einem ganz schwindelig. Was man mit "Die Erfindung der Null" in die Hände bekommt, ist ein noch nie dagewesenes Leseerlebnis für die Sinne. Zwischen zwei Buchdeckeln steckt Unterhaltung der ungewöhnlicheren Sorte. Alles, aber definitiv nicht nullachtfünfzehn; und deshalb ein Genuss der einsamsten Spitzenklasse!

Susann Fleischer 
02.11.2020

 
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Das Buch:

Michael Wildenhain: Die Erfindung der Null

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Stuttgart: Klett-Cotta Verlag 2020 303 S., € 22,00 ISBN: 978-3-608-98305-0

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