Kinder- & Jugendbücher
Aufhören kann man immer … oder?
Frieda, Marlon, Benny und Birte sind zwar nicht immer einer Meinung, aber dennoch dürfen die vier Teenager von sich behaupten, eine durchaus respektable Clique abzugeben. Am heftigsten kracht es in letzter Zeit zwischen den beiden Mädchen in der Gruppe. Der Zankapfel: der genauso cool-draufgängerische wie gutaussehende Marlon. Marlon versichert Birte, dass er Frieda den Laufpass gegeben hat und mit ihr zusammen sein möchte. Birte ist dementsprechend überglücklich und Frieda kann ihren Neid auf Birte nicht verbergen. Der Gruppe aufgrund ihres Misserfolgs den Rücken zu kehren, kommt jedoch für sie nicht in Frage.
Die Freizeitangebote in der Kleinstadt am Watt, in der die vier wohnen, sind recht knapp bemessen. Ihre bevorzugte Tätigkeit, um dem grauen Schulalltag zu entfliehen ist daher: Party machen, denn hierfür muss man nicht die überlange Busfahrt in die Stadt auf sich nehmen. Und wie so oft darf der Alkohol hierbei nicht fehlen. Da Birte auf nicht ganz legale Weise einen Schlüssel für eine leer stehende Strandhütte organisiert hat und der bereits volljährige Karsten zu der Gruppe gestoßen ist, bietet sich für die Teenager die Gelegenheit für noch wildere Trinkgelage. In der Hütte ist man ungestört und mit Karsten ist das Beschaffen alkoholischer Getränke aller Art ein Leichtes.
Dass der Alkoholkonsum der Fünf aus dem Ruder zu laufen beginnt, erkennt die 15-jährige Birte, aus deren Perspektive "Filmriss" erzählt wird, recht früh. Doch ihr konsequent gefasster Vorsatz, aufzuhören, gestaltet sich um einiges schwieriger als erwartet, da sie Marlon weiterhin imponieren und seine Nähe nicht verlieren möchte. Die Trinkgelage der Fünf reißen nicht ab und an einem Abend stößt Friedas gerade vierzehnjähriger Cousin Steve zu ihnen, der sich auch wie ein Teil der Gruppe fühlen möchte ...
Dass "Filmriss" mit der Motivation geschrieben wurde, Jugendliche vor den Konsequenzen von exzessiven Alkoholpartys zu warnen, ist unschwer zu erkennen. Dennoch wäre es ungerecht, das Buch vorschnell als Jugendroman gewordene Informationsbroschüre über die Gefahren des "Kampftrinkens" abzutun. Hierfür sorgt bereits die Schreibkunst, die der preisgekrönte deutsche Autor Olaf Büttner an den Tag legt. Birte und ihre Clique und auch die weniger wichtigen Figuren sind mit viel Sorgfalt charakterisiert und die Beschreibungen ihrer Erlebnisse sind temporeich, oftmals berührend und voller Atmosphäre. Auch die Gründe, weswegen der Alkoholkonsum die Freizeit der Teenager zu dominieren beginnt, offenbaren sich als plausibel und nachvollziehbar. Dem Leser wird so bereits nach wenigen Seiten deutlich, dass hier keine wandelnden Stereotypen agieren.
Darf ein Buch, das Teenagern die Gefahren des Alkoholkonsums vor Augen halten soll, so fesselnd geschrieben sein wie man sich jedes Jugendbuch wünschen würde? Darf man sich während der entgleisten Trinkgelage der Clique um Marlon und Birte unweigerlich dabei ertappen, mit ihnen mitzufiebern und mitzufühlen? Bei der Lektüre von "Filmriss" wird sich jeder unweigerlich diese Fragen stellen und die Antwort hängt letztlich von der Erwartungshaltung jedes Lesers ab. Was fest steht, ist folgendes: Wer eine oberflächliche Dämonisierung des Alkoholkonsums für junge Leser erwartet, ist bei "Filmriss" definitiv an der falschen Adresse. Wer ein großartig geschriebenes, viele spannende und mitreißende Lesestunden garantierendes Jugendbuch sucht, liegt jedoch absolut goldrichtig.
Johannes Schaack
22.11.2010