Kinder- & Jugendbücher
Auch junge Autoren müssen trainieren
Sylvia Englerts jüngste Publikation lebt aus der tiefen Überzeugung heraus, dass eine Auseinandersetzung mit Literatur (wie jedweder Kunst) deshalb so unverzichtbar ist, weil sie neue – ästhetische – Kommunikationsräume eröffnet, in denen der Mensch als Mensch im Mittelpunkt steht: Da wäre zunächst einmal an den Autor selbst zu denken. Wenn er an einem Projekt arbeitet, begibt er sich in eine Welt der Imagination, zu der nur er selbst Zugang hat. Hier wird er in besonderer Wiese dazu angeregt, sich intensiver mit dem eigenen Ich zu beschäftigen, sich Klarheit zu verschaffen über die eigenen Gefühle, Meinungen und Einstellungen zu den verschiedensten, großen und kleinen Dingen des Lebens. Das Ergebnis dieser Beschäftigung ist das, was sich im fertigen Buch als Weltanschauung, als Weltbild festmachen lässt; Letzteres drängt in die Öffentlichkeit, verlangt nach Aussprache, nach Austausch. Ob nun im Kreise von Gleichgesinnten, im schulischen oder beruflichen Kontext – die Rezeption eines literarischen Werkes ist vor allem eine sozio-kommunikative Angelegenheit.
Die eingenommene Blickrichtung wirkt sich ganz konkret auf den Aufbau der Wörterwerkstatt aus. Der suggestive Titel deutet es bereits an: Die Publikation zielt nicht primär auf die Vermittlung theoretischer Grundlagen ab, wenngleich unbestritten ist, dass Literaturtheorie und literarische Praxis in einem fruchtbaren Wechselverhältnis stehen. Insofern entbehrte eine Kritik an einem zuweilen etwas undifferenzierten Gebrauch von (absolut gängigen) Fachtermini (so z. B. die Abgrenzung von Metapher und Symbol oder die Unterscheidung verschiedener Erzählperspektiven) jedweder Grundlage. Es geht auch nicht um die Weitergabe irgendwelcher "Fertigrezepte"; mit denen ließen sich doch nur Standardwerke produzieren. Nein, vorliegendes Buch dient eher der "Einstimmung" auf das große Abenteuer, genannt Literatur. Kann sie doch unter bestimmten inhaltlichen, praktischen und organisatorischen Voraussetzungen so gut funktionieren, dass das Leben um ein Vielfaches abwechslungs- und spannungsreicher wird.
Dabei wendet sich Sylvia Englert an all jene Jugendlichen, die bereits einen Zugang zum Schreiben gefunden haben, die offen für Neues sind und gerne mit Sprache experimentieren – und die vielleicht sogar schon davon träumen, das literarische Schreiben eines Tages zum Beruf machen zu können. Als Autorin, Journalistin und Lektorin schöpft sie aus ihrem eigenen reichhaltigen Erfahrungsschatz, wenn sie ganz konkrete Tipps für das private Schreiben und den "handwerklichen" Umgang mit Texten weitergibt und konsequenterweise – nach dem Motto "Aus der Praxis, für die Praxis" – durch zumeist sehr sinnvolle Trainingsangebote ergänzt. Dabei werden sämtliche Genres, insbesondere jedoch Kurzprosa und Lyrik behandelt und einige Tätigkeitsfelder des angewandten Schreibens (Rundfunk, Film, Theater) gestreift. Didaktisch sehr wertvoll sind die allerorts eingestreuten Zitate von bekannten, weniger bekannten oder gar unbekannten Autoren und Fachleuten. Sie haben hohen Aufforderungscharakter und motivieren dazu, Schwierigkeiten verschiedenster Art zu überwinden und noch mehr an Textaufbau und Stil zu feilen.
Die Wörterwerkstatt zeigt ferner Wege der Veröffentlichung von Manuskripten auf sowie berufliche Möglichkeiten zielorientierten Schreibens (besonders Journalismus, Lektorat, Werbung, Public Relations).
Nicht zuletzt aber sind es die wertvollen Literaturhinweise, die zahlreichen aktuellen Adressen von Verlagen und Schreibwerkstätten sowie Informationen zu Wettbewerben und Stipendien, die den übersichtlich gestalteten und pfiffig geschriebenen Ratgeber zu einem unverzichtbaren Arbeitsinstrument für all jene jungen Schreiber (ab 12 Jahren) machen, die lernen wollen, auf literarischem Wege immer mehr und immer besser zu kommunizieren. Nach Lektüre des vorliegenden Buches wäre es freilich naheliegend, zuerst an Sylvia Englert selbst zu denken, deren Verlagsadresse bzw. Homepage angegeben ist und zu weiterem Erfahrungsaustausch geradezu einlädt.
gda
20.12.2002