Kinder- & Jugendbücher
Ein ganz besonderes Juwel im Bücherregal
Frühjahr 1945: Das KZ Groß-Rosen ist befreit, und die sowjetischen Soldaten behaupten, der Krieg sei vorbei. Aber für die 18-jährige Zofia Lederman fühlt es sich nicht so an. Ihr ganzes Leben ist in Scherben zerfallen. Vor drei Jahren wurden ihr Bruder Abek und sie an der Rampe nach rechts geschickt, weg von den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau. Ihre Eltern, ihre Großmutter, ihre Tante Maja hingegen mussten nach links gehen und damit geradewegs in den Tod. Zofia und Abek wurden im Lager getrennt. Über Umwege kam sie schließlich nach Schlesien und kämpfte dort jeden Tag ums Überleben, immer in Gedanken bei ihrem Bruder. Endlich in Freiheit, begibt sich Zofia auf die Suche nach dem Zwölfjährigen. Aber wie soll sie ihn in dem Meer von Vermissten finden? Und was, wenn er nicht mehr lebt?
Mit Hilfe des Rote-Armee-Soldaten Dima kehrt Zofia in ihre Heimatstadt Sosnowiec zurück. Doch in ihrem Elternhaus trifft das Mädchen lediglich auf die Nachbarin. Von Abek keine Spur. Es scheint, als wäre er niemals dagewesen. Zofia versinkt in Trübsinn. Bis sie erfährt, dass Abek sich in einem Flüchtlingsheim bei München aufhalten könnte. Zofia macht sie sich auf die Reise, mit zu wenig Geld und ohne einen Plan im Gepäck. Dennoch: Sie muss es versuchen. In Föhrenwald begegnet sie zahlreichen Juden und anderen hilfsbedürftigen Menschen. Aber Abek ist nicht unter ihnen. Vorerst bleibt Zofia in Bayern. Sie findet neue Freunde, nimmt an einer Hochzeit teil, kann aber ihre KZ-Erlebnisse nicht vergessen. Diese begleiten sie tags- und nachtsüber und hindern sie an einem Neubeginn. Zumindest noch ...
Unterhaltung, die den Leser so sehr zu Tränen rührt wie kaum etwas anderes - die Geschichten aus Monica Hesses Feder sind Meisterwerke der Emotionen. Diese sind etwas selten Kostbares im Bücherregal, ein Juwel von der Schönheit, außerdem Strahlkraft von Markus Zusaks "Die Bücherdiebin". Kaum "Sie mussten nach links gehen" aufgeschlagen, ist einem ganz schwindelig ob Hesses schriftstellerischem Können. Dieses übertrifft (fast) alles. Das vorliegende Buch wühlt den Leser so sehr auf, dass er für mehrere Nächte lang nur schwer in den Schlaf findet. Es schockt ihn regelrecht. Und trotzdem verliert man sich mit allen Sinnen in der Lektüre. Diese lässt einen partout nicht mehr los. Solch ein Erlebnis ist von größter Seltenheit. Es ist ein besonderes Highlight in diesem Bücherherbst/-winter.
Monica Hesse ist eine Schriftstellerin, die ihresgleichen sucht. So poetisch, so einfühlsam, so berauschend über die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und über die Gräueltaten der Nazis zu schreiben wie die US-Amerikanerin, bedeutet Erzählkunst auf höchstem Niveau, außerdem der berauschendsten Sorte. "Sie mussten nach links gegen" ist eine herzerschütternde Lektüre, die man sein ganzes Leserleben lang nicht mehr vergessen wird. Definitiv Jugendliteratur, von der einem gleich ab dem ersten Satz ganz schwindelig wird. Absolut grandios! Einfach nur wow, wow, wow!
Susann Fleischer
16.11.2020