Autobiographie

Stasi-Spitzel in der eigenen Familie

Als im Jahre 2007 der deutschsprachige Film "Das Leben der Anderen" eine der begehrten Trophäen bei der Oscar-Verleihung erhielt, wurde das Thema Bespitzelung durch die DDR-Staatssicherheit und von ihr akquirierte Familienangehörige aktueller denn je. Die Autorin Susanne Schädlich erfuhr 1992, dass ihr geliebter Onkel Karlheinz ihre Familie ausspionierte und hinterging. Schließlich beging er 2007 Selbstmord, woraufhin seine Nichte die Tatsache der Bespitzelung in "Immer wieder Dezember" verarbeitete.

Der zwölfjährigen Susanne wird am 5. Dezember 1977 von ihrer Mutter eröffnet, dass ihre Familie in fünf Tagen in den Westen gehen wird. Hintergrund ist ein vom Vater unterschriebener Protest gegen die Ausbürgerung des Lyrikers Wolf Biermann. Der Vater findet keine Arbeit mehr und kann demzufolge nicht mehr für den Unterhalt der Familie sorgen. Nach einer langen Zeit des Hoffens und Bangens dürfen die Schädlichs - der 17-jährige Bruder Jan sowie die Oma  bleiben in Jena zurück - ausreisen und im Westen ein neues Leben beginnen. Nach anfänglichem Aufenthalt in Hamburg, zieht die Familie nach West-Berlin. Sie versucht heimisch zu werden und sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen, doch so recht will dies nicht gelingen. Besonders für Susanne und ihre Schwester ist diese Zeit schwer, haben sie doch momentan nur sich.

Doch nicht nur die Probleme in der neuen Heimat kommen in diesem Buch zur Sprache. Dem Leser werden die Ausmaße der Bespitzelung durch Karlheinz Schädlich verdeutlicht. Im Mittelpunkt seiner "Schnüffelei" stehen die regelmäßig stattfindenden "Werkstattgespräche", die sich als Treffen von ost- und westdeutschen Literaten herausstellen, ähnlich der Gruppe 47. An diesen Stellen werden im Buch die Ausmaße der Spionageaktivitäten deutlich, die sogar den Schriftsteller Günter Grass einschließen.

Susanne Schädlich zeigt auf wenigen Seiten, wie erschütternd und aufwühlend die Entdeckung sein kann, unter Beobachtung der Stasi zu stehen. Ihr Onkel war für diese Institution als IM (steht für "inoffizieller Mitarbeiter") "Schäfer" tätig. Wie sich im Laufe des Buches herausstellt, ist er aus Sorge vor der Aufdeckung rechtlich nicht einwandfreier Details und deren Konsequenzen in diese Sache "hineingerutscht". Zahlreiche Aussagen damaliger Zeitzeugen und Einträge in der entsprechenden Stasi-Akte unterstützen die Erinnerungen Schädlichs. Erst als sich 1984 die Eltern endgültig trennen, hören die Aufzeichnungen auf. Susanne Schädlich erzählt aus der Sicht eines kleinen Kindes, das alles hinter sich lassen musste und ihrem Onkel nicht wirklich verzeihen kann. Sie geht vorsichtig vor und ohne eine Verurteilung auszusprechen. Dies bleibt dem Leser überlassen, nachdem er subjektive Beobachtungen mit objektiven Einträgen abgewogen hat. "Immer wieder Dezember" ist ein Dokument über die Problematik des Vertrauens und dessen Missbrauch und arbeitet ein schwieriges Stück der deutschen Geschichte auf.

Susann Fleischer
30.03.2009

 
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Das Buch:

Susanne Schädlich: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich

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München: Droemer Verlag 2009
240 S., € 16,95
ISBN: 978-3-426-27463-7

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