Medien & Gesellschaft

Eine unbekannte Seite des FC Bayern

Zwar ist der FC Bayern M?nchen als Rekordmeister und Rekordpokalsieger der erfolgreichste deutsche Fu?ballverein aller Zeiten, doch beginnt f?r nahezu jeden Fan und Fu?ballkenner diese Erfolgsgeschichte erst Mitte der Sechziger Jahre mit der Goldenen Generation um Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd M?ller. Obgleich in den Vereinsannalen schon ein Deutscher Meistertitel vor dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet ist, l?sst dies nicht unbedingt vermuten, dass der FC Bayern schon in den ersten vier Jahrzehnten seines Bestehens ein au?ergew?hnlicher Verein war. Insbesondere mit der intensiven Betrachtung der Vereinsentwicklung in den Vorkriegsjahren schlie?t sich f?r den interessierten Leser im vorliegenden Buch diese Wissensl?cke.

Dietrich Schulze-Marmeling hat sich in der Vergangenheit als Autor von Fu?ballb?chern, die durch ihren Tiefgang imponieren, einen Namen gemacht. Mit "Der FC Bayern und seine Juden" widmet er sich der Vorkriegsgeschichte des FC Bayern M?nchen und legt dar, wie dieser Verein in jungen Jahren bereits besondere Mannschaften auf die Beine gestellt hat und mit politischem und gesellschaftlichem Gegenwind klarkommen musste. Das vorliegende Buch setzt um die vorletzte Jahrhundertwende ein, als die von der britischen Insel ?berschwappende Fu?ballbegeisterung Deutschland vollends erreichte. Viele Vereine wurden um das Jahr 1900 gegr?ndet, so auch der FC Bayern am 27. Februar 1900 in einem Schwabinger Gasthaus. Bereits unter den 17 Gr?ndungsmitgliedern befinden sich einige Juden, die mit ihrem Tatendrang und ihrer liberalen Einstellung ma?geblich f?r die Initiierung dieser Erfolgsgeschichte des deutschen Fu?balls verantwortlich waren.

Der Autor beschreibt in der Folgezeit die Anlaufschwierigkeiten und den anf?nglichen Nachholbedarf des FC Bayern, der sich dabei nicht zu schade war, um den Preis des Lernens gegen ?berm?chtige Gegner anzutreten und sich hin und wieder vorf?hren zu lassen. Ma?gebend f?r den sp?teren Erfolg war vor allem die Offenheit des Vereins, Testspiele gegen zahlreiche ausl?ndische Vereine, insbesondere aus, ?sterreich, Ungarn, der Schweiz und der Tschechoslowakei auszutragen und mit den dortigen Verantwortlichen wie Spielern einen regen Austausch zu gestalten. Schulze-Marmeling zeigt auf, wie sich der FC Bayern bereits in jungen Jahren durch seine Offenheit und eine liberale Einstellung einen Vorsprung gegen?ber anderen Vereinen erarbeiten konnte.

Die Darstellung der Gr?nderjahre ist sehr detailliert, so dass dem Leser viele Namen begegnen, die er richtig einzusortieren hat. Unterst?tzt wird er dabei durch ein Glossar am Ende des Buches, das f?r die 75 bedeutendsten Personen einen kurzen Eintrag mit den wichtigsten Informationen bereith?lt. Die Vielzahl an Personen zeigt auf, dass das Vereinsleben beim FC Bayern wie auch bei anderen Vereinen nicht erst in der Neuzeit durch eine hohe Fluktuation gekennzeichnet war. Englische Trainer wechselten sich mit ungarischen ?bungsleitern ab, doch fiel insbesondere beim FC Bayern genau diese Abwechslung auf einen fruchtbaren Boden. Um den R?ckschlag des Ersten Weltkriegs zu verdauen, ben?tigte der FC Bayern einige Jahre, bevor man anno 1932 den ersten Vereinsh?hepunkt erleben durfte.

Der erste Deutsche Meistertitel im Jahr vor Hitlers Machtergreifung bildet auch im vorliegenden Buch einen H?hepunkt, dessen Gr?nde und V?ter vom Autor ausf?hrlich vorgestellt werden. Der FC Bayern war in jenen Jahren bereit, eine Erfolgsstory zu schreiben und eine Epoche zu gr?nden, w?re ihm da nicht der Aufstieg der Nationalsozialisten in die Quere gekommen. Anders als der angepasste Lokalrivale 1860 M?nchen waren die Bayern mit ihrem gro?en Anteil an Juden in der Mannschaft, in der F?hrungsetage sowie in ihrem Umfeld alles andere als konform und gerieten rasch unter politischen und gesellschaftlichen Druck.

Schulze-Marmeling stellt vor allem die Person des Kurt Landauer, den langj?hrigen j?dischen Pr?sidenten des FC Bayern M?nchen, als zentralen Vater des Erfolgs dar. Er musste allerdings noch 1933 sein Amt abgeben, floh sp?ter in die Schweiz, wo er den Krieg ?berlebte, und kehrte 1951 nochmals in das Amt des Pr?sidenten des FC Bayern zur?ck. Neben der detailgetreuen Darstellung der Vorkriegsgeschichte des FC Bayern versteht es der Autor hervorragend, die gegebenen gesellschaftlichen Str?mungen und vorherrschenden Denkweisen zu vermitteln. Dem Leser wird schnell offensichtlich, dass sich der Deutsche Fu?ball-Bund im ersten halben Jahrhundert seiner Geschichte keineswegs mit Ruhm bekleckert hat. Das sture Festhalten am Amateur-Status sowie die angedrohten und auch angewandten Repressalien gegen?ber potentiellen und tats?chlichen Profifu?ballern waren sicherlich ein Grund daf?r, dass der deutsche Fu?ball erst sp?t auf der internationalen Landkarte des Fu?balls auftauchte.

Das vorliegende Buch wurde im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Fu?ball-Kulturpreis als "Fu?ball-Buch des Jahres 2011" von der Deutschen Akademie f?r Fu?ball-Kultur ausgezeichnet, da es durch seine Verquickung von Sport und Geschichte und den daraus zu ziehenden Lehren ein au?ergew?hnliches Pl?doyer f?r Offenheit darstellt. Derjenige Fu?ballfan, der von seinem Lieblingssport mehr wissen m?chte und an tiefergehenden Informationen interessiert ist, der wird nach mehr solchen B?chern und Autoren wie Schulze-Marmeling verlangen. Finden wird er sie garantiert beim Verlag Die Werkstatt, der seit Jahren die Heimat von Fu?ballb?chern mit dem gewissen Etwas ist.

Christoph Mahnel
25.06.2012

 
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Das Buch:

Dietrich Schulze-Marmeling: Der FC Bayern und seine Juden

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Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2011
272 S., € 14,90
ISBN: 978-3-89533-781-9

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