Medien & Gesellschaft

Dont believe the hype!

Eines ist sicher: So wie Barack Obama wurde mit Sicherheit noch kein US-amerikanischer Präsident mit Vorschusslorbeeren bedacht. Sein charismatisches Auftreten, seine markige Wahlkampagne mit Slogans wie "Yes, we can!" und wohl nicht zuletzt seine ethnische Herkunft machten aus ihm den Ausnahmepräsidenten schlechthin. Doch ebenso groß war die Ernüchterung, dass Obamas Antreten der Präsidentschaft nicht zu dem erhofften radikalen Umschwung in den USA innerhalb kurzer Zeit führte. Realistisch gesehen lässt sich zugestandenermaßen ein dermaßen großes und in jeder Beziehung komplex strukturiertes Land nicht über Nacht von einer einzigen Person auf den Kopf stellen - auch wenn es sich bei ihr um seinen Präsidenten handelt. Doch Hand aufs Herz: Einige von uns hatten es ihm tatsächlich zugetraut.

Auch der deutsche Rechtsanwalt und Journalist Philipp Schläger kann in "Der entzauberte Präsident. Barack Obama und seine Politik" seine Enttäuschung nicht verbergen. Den Leser erwartet eine ausführliche und durch und durch schonungslose Bestandsaufnahme zahlreicher Beispiele für Versagen, Fahrlässigkeit und Untätigkeit seitens des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Schläger setzt bereits bei Obamas Wahlkampf an, während dessen sich die Konkurrenten des heutigen Friedensnobelpreisträgers sozusagen selbst ins Abseits katapultierten, ohne dass von ihm und seinem Team allzu aufwändige Taten notwendig waren.

Auch Obamas umstrittene Gesundheitsreform ist vor Schlägers Kritik nicht sicher und die frappante Überbevorteilung des Bankensektors seitens Obama erhält in "Der entzauberte Präsident" ebenso ihre durchaus verdiente Abrechnung. Und auch der gefürchtete Vergleich von Obamas Politik zu der seines mehr als umstrittenen Vorgängers George W. Bush darf nicht fehlen - und fällt insgesamt deutlich negativer aus, als viele Leser erwarten mögen.

Dass an Obama unrealistisch hohe Erwartungen gestellt wurden, steht fest. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir dies als Freibrief für ihn betrachten sollten, diejenigen, die auf ihn vertraut haben, zu enttäuschen. Denn für die Tatsache, dass Obama dazu beigetragen hat, die Kluft zwischen Arm und Reich in den USA noch weiter zu vergrößern, ist wohl kaum das Vertrauen seiner Wähler verantwortlich zu machen. "Der entzauberte Präsident" geht hart, aber fair mit dem (vermeintlichen) Ausnahme-Präsidenten ins Gericht und fördert auch Schattenseiten von Obamas Politik zu Tage, die mit Sicherheit auch eingefleischte USA-Fans überraschen werden. Eine ebenso schonungslose wie lesenswerte Kombination aus Insider- und Einsteigerwissen für jeden Leser mit Interesse an zeitgenössischer US-Innenpolitik und die perfekte Pille gegen den Obama-Hype.

Johannes Schaack
31.01.2011

 
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Das Buch:

Philipp Schläger: Der entzauberte Präsident. Barack Obama und seine Politik

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Berlin: Rotbuch Verlag 2010
192 S., € 9,95
ISBN: 978-3-86789-113-4

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