Wissenschaften
600 Jahre antiker Baugeschichte
Mehr als ein halbes Jahrtausend liegen zwischen der Entstehung bzw. Einweihung des Parthenon auf der Athener Akropolis und des Pantheon in Rom. Genau diese beiden Meilensteine der antiken Baukunst hat der emeritierte Darmstädter Archäologieprofessor Heiner Knell als Eckpfeiler für seine kleine Architekturgeschichte der Antike genommen und arbeitet sich auf 160 Seiten "vom Parthenon zum Pantheon" - so auch der Titel des Bandes - durch 600 Jahre Baugeschichte und 13 Bauwerke römischen und griechischen Ursprungs.
Knell hat seine "Meilensteine der antiken Architektur" - wie er sein Werk untertitelt hat - in zwei große Bereiche eingeteilt, nämlich in die Meilensteine griechischer Architektur und in die der römischen. Zwischen den beiden Großkapiteln befinden sich in der Mitte des Buches Farbtafeln von allen vorgestellten und ausführlich beschriebenen Bauwerken, nämlich dem Parthenon, den Propyläen des Mnesikles, dem Erechtheion, dem Theater von Epidauros, der Stadt Priene, dem Apollontempel in Didyma, dem Augustusforum in Rom, dem Pont du Gard in Frankreich, dem Kolosseum, der Flavierpalast, dem Titusbogen, dem Trajansforum und zu guter Letzt dem Pantheon in Rom.
Pro Bauwerk verwendet Knell je nach Bedeutung und Bekanntheitsgrad ca. fünf bis 20 Seiten, um Eigenarten, Bauphasen, verwendete Materialien typologische Merkmale und kulturhistorische Bedeutung des Monuments zu erläutern. Nicht selten steckt hinter der Errichtung eines solchen der Glaube, einem Gott, der sich zuvor bei einem Krieg dem eigenen Volk als wohlgesinnt erwiesen hat, huldigen zu müssen. So geschehen mit dem Parthenon, den Perikles als Geschenk für die Schutzgöttin Athena erbauen ließ, um sich für ihre Hilfe bei den zuvor gewonnenen Perserkriegen zu bedanken. Auch der Marstempel auf dem Augustusforum war ein solches Geschenk, in diesem Fall jedoch für den Gott Mars, der den Römern bei der Schlacht bei Philippi "geholfen" hatte.
Neben dem Götterglauben war das Macht- und Geltungsbedürfnis der Römer und vor allem ihrer Herrscher ein Motor, der die Planung und den Bau von Monumenten wie dem Trajansforum, dem Titusbogen oder dem Kolosseum vorantrieb. Mit dem Pont du Gard, einem Aquädukt, das noch heute in Frankreich zu bewundern ist, zeigt Knell jedoch auch eine andere Seite der römischen Baukunst, nämlich die hochentwickelte zivile Ingenieursarchitektur, die - wie im Falle der Aquädukte - das Volk immer mit frischem Wasser versorgte.
In der 600 Jahre umfassenden Architekturgeschichte beleuchtet Knell, wie sich sowohl technischer Fortschritt als auch kunstgeschichtliche Entwicklung vollzogen haben und wie sich politische und religiöse Botschaften in den Bauwerken widerspiegeln. Ergänzt werden seine Abhandlungen durch Fotos, Skizzen, Grundrisse und Rekonstruktionszeichnungen. Im Anhang finden sich ein Literaturverzeichnis zu den einzelnen Kapiteln, ein Register mit Orts- und Personennamen und ein Glossar, damit auch der interessierte Laie nicht an Begriffen wie Peristyl oder Insula scheitert - denn Heiner Knells antiken Architekturgeschichte ist sowohl für die Fachleserschaft als auch für Hobby-Historiker bzw. -Archäologen eine informative und lesenswerte Publikation zur Baugeschichte zwischen dem 4. Jahrhundert vor und dem 2. Jahrhundert nach Christi Geburt.
Sabine Mahnel
06.01.2014