Wissenschaften

Sechs Saiten , die die Welt bedeuten

So allgegenw?rtig wie zu Hochzeiten des Rock'n'Roll ist das charaktervolle Instrument mit den (?blicherweise) sechs Saiten in unserer heutigen Popularmusik nicht mehr. Dennoch ist als Antwort auf die Frage, welches Musikinstrument wohl das beliebteste unserer Zeit ist, immer noch nur eine einzige Antwort m?glich: die Gitarre. Dass es zahlreiche B?cher ?ber ein derartiges musikalisches Ph?nomen gibt, versteht sich von selbst. Doch wer sich schon ein paar davon einverleibt hat, kennt das Problem: Manche von ihnen konzentrieren sich nur auf die Geschichte oder die Konstruktion des Instruments und kommen dementsprechend trocken daher. Und wiederum andere befassen sich haupts?chlich mit popkulturellen Aspekten und vernachl?ssigen oftmals, was das Instrument selbst so besonders macht. Mit "Portrait Gitarre" vollf?hrt der Musikwissenschaftler J?rg Jewanski den Spagat zwischen harten Fakten und Kurzweil und legt ein Buch vor, das gleicherma?en informieren wie unterhalten will. 

Die erste Demonstration, dass Jewanski sich hier vorgenommen hat, ein Buch f?r Gitarrenfans jeder Couleur abzuliefern, l?sst nicht lange auf sich warten. Auf eine detaillierte Bestandsaufnahme der Entwicklung des beliebten Saiteninstruments von der Renaissancegitarre des 16. Jahrhunderts bis zur E-Gitarre folgt eine Liste der "10 weltbesten Gitarristen aller Zeiten" aus einer Ausgabe des "Rolling Stone". Schnell wird jedoch deutlich, dass Jewanksi das Kapitel ?ber wichtige Gitarristen aus Klassik bis Avantgarde bewusst mit einem Negativbeispiel eingeleitet hat, das die Vielseitigkeit der Gitarre verkennt. Wer bisher glaubte, dass die "Sechssaitige" nur im Bereich der Rockmusik wichtig sei, wird sich hier schnell eines Besseren belehrt sehen. Und zahllose Anl?sse, ?ber den eigenen musikalischen Tellerrand zu schauen, gibt es gratis dazu. 

Dies hei?t jedoch nicht, dass der Gitarrenexperte in "Portrait Gitarre" auf die immense kulturelle Relevanz des Rock'n'Roll keinen Wert legt. Ganz im Gegenteil: Auch wer beispielweise wissen m?chte, was Keith Richards und Ron Wood ?ber die Gitarrenk?nste ihres jeweiligen Kollegen an den sechs Saiten denken oder ob es auch vor Jimi Hendrix Saitenakrobaten gab, die mit verzerrtem Sound spielten, ist hier an der richtigen Adresse. Als n?chstes folgt ein ausf?hrliches Kapitel ?ber die Konstruktion verschiedenster Gitarrentypen von der "Quintern" aus dem 13. Jahrhundert bis hin zur High-Tech-MIDI-Gitarre, das durch ein Interview mit dem Vollprofi-Gitarrenbauer Oliver Baron sein Sahneh?ubchen erh?lt. Und wer davon tr?umt, mit der Gitarre seinen Lebensinhalt zu bestreiten, f?r den h?lt das abschlie?ende Kapitel eine Vielzahl hilfreicher Tipps bereit. 

B?cher ?ber die Gitarre gibt es wahrlich wie Sand am Meer. Durch seine Kombination aus leicht verst?ndlich vermitteltem Fachwissen und einer Vielzahl an Einblicken in den kulturellen Einfluss des beliebten Saiteninstruments gelingt es "Portrait Gitarre" jedoch, sich wohltuend aus dem Einheitsbrei abzuheben. Ganz gleich, ob sich der Leser tief in die Geschichte der Gitarre einarbeiten will, einen schnellen ?berblick ?ber wichtige Gitarristen aus Vergangenheit und Gegenwart erhalten m?chte, oder schlicht wissen will, was es mit dem Trubel um das auf den ersten Blick unscheinbare Instrument auf sich hat - hier ist jeder Musikliebhaber trefflich aufgehoben. Ein absoluter Tipp f?r eingefleischte Saitenakrobaten und Luftgitarristen gleicherma?en. 

Johannes Schaack 
04.10.2011

 
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Das Buch:

Jörg Jewanski: Portrait Gitarre. Kultur - Praxis - Repertoire - Interpreten

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Kassel: Bärenreiter Verlag 2011
153 S., € 27,95
ISBN: 978-3-7618-1843-5

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