Wissenschaften
Bibelkunde einmal anders: Wie aus einem einfachen Schiffstau ein Kamel wurde
Eine neuere Analyse des Instituts für Demoskopie Allensbach zur Entwicklung der Kirchgänger in der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland nimmt der Verfasser zum Anlass, sich mit drei Weltreligionen auseinanderzusetzen. In insgesamt sechs Kapiteln befasst er sich mit den Anfängen und Ursprüngen des Christentums in Verbindung mit dem Judentum, deren Entwicklung bis in die heutige Zeit und schließt mit aktuellen Betrachtungen über den Islam in Deutschland. So kommen zahlreiche spannende und interessante Unterschiede und Gemeinsamkeiten zutage, die man so sicher noch nicht gelesen hat.
Von Beginn an werden nicht nur Evangelisten, Apostel, Kirchenväter, Päpste und Martin Luther, sondern auch die moderne Sekundärliteratur zitiert und teilweise einander gegenübergestellt; ein Beleg dafür, wie sachlich und fundiert, aber zugleich auch kritisch und scharfsinnig der Autor vorgegangen ist, nicht ohne den jeweiligen historischen Hintergrund kompakt zusammenzufassen.
Eine seiner ersten Erkenntnisse lautet: Die Gesellschaft hat sich im Verlauf der Geschichte verändert, die Kirche leider nicht. Viele Dogmen aus früherer Zeit lassen sich den modernen Menschen nicht mehr vermitteln, was am Beispiel der Erbsünde deutlich wird. Schließlich hat keine noch lebende Person von der verbotenen Frucht im Paradies gegessen, sondern nur Adam und Eva. Eine Übertragung dieser Schuld per kirchlicher Doktrin auf die Gegenwart ist inakzeptabel und mit unserer Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen. Doch nach Auffassung der Kirche liegt es in der menschlichen Natur zu sündigen, auch Taten der Vorväter können auf die Nachkommenschaft übertragen werden.
Besonders spannend sind die Darlegungen des Autors über Übersetzungsfehler in der Bibel, die auf Aramäisch verfasst und erst ins Griechische und dann in Lateinische übersetzt wurde. So geht tatsächlich kein Kamel durch das berühmte Nadelöhr, sondern es handelt sich schlicht und einfach um ein Schiffstau. Und Jesus ging auch nicht auf dem See Genezareth spazieren, sondern lediglich an der Promenade des Sees.
Wer sich für die Geschichte von Weltreligionen aus einer etwas anderen Sicht interessiert, wird von diesem Buch bestimmt nicht enttäuscht sein. Eine ausführliche Liste an Sekundärliteratur am Ende lädt alle Leser/innen dazu ein, sich weiter mit diesem unerschöpflichen Thema zu beschäftigen.
Dr. Andreas Berger
25.05.2020