Hörbücher
Der Komiker mit der Stimme , die für den einen oder anderen Lacher sorgt
Johan Andersson hat in seinem Leben sehr viel gesiebte Luft eingeatmet, da er im wahrsten Sinne des Wortes unzählige Jahre hinter schwedischen Gardinen verbringen musste. Und dies völlig zu Recht, schließlich trägt er seinen Spitznamen Mörder Anders nicht ohne Grund. Als er eines seltenen Tages wieder die Freiheit genießen darf, trifft er auf eine ehemalige Gemeindepfarrerin namens Johanna Kjellander, die zum Atheismus konvertiert ist, sowie Per Persson, den Rezeptionisten einer schäbigen Pension. Die drei Gestalten treffen in besagter Kaschemme aufeinander, eines kommt zum anderen, aus Gedanken erwachsen Ideen, und schon ist die "Knochenbrecher-Agentur" geboren. Der Rezeptionist und die Pfarrerin kümmern sich um das gesamte Rahmenwerk dieses Geschäftsmodells, während Mörder Anders für die Ausführung verantwortlich zeichnet. Schließlich ist er dafür prädestiniert wie kein Zweiter.
Das Gewerbe der Drei floriert, bis eines Tages Mörder Anders nach einem Gespräch mit der Pfarrerin beginnt, den Sinn hinter seinem Treiben zu hinterfragen. Der Mörder findet zu Jesus und stellt von einem Tag auf den anderen seine Tätigkeit als Knochenbrecher ein, was wiederum vor allem die anderen beiden Mitglieder der Agentur in arge Nöte bringt, haben sie doch noch einige offene Aufträge und für diese auch schon entsprechende Vorauszahlungen einkassiert. Dass Menschen, die derartige Aufträge erteilen, nicht gerade als zimperlich bekannt sind, liegt auf der Hand. Per, Johanna und der ehemalige Mörder Anders nehmen die Beine in die Hand und ergreifen die Flucht, jedoch nicht ohne dabei schon die nächste Geschäftsidee im Hinterkopf zu haben: Sie wollen eine eigene Kirche gründen …
Was sich wie ein schlechter Scherz anhört, wird beim geneigten Leser sogleich die üblichen Verdächtigen für derart absurde Geschichten hervorrufen. Und spätestens beim dritten Versuch wird der Belesene auf dem Ratestuhl den richtigen Autor hierfür benennen können, Jonas Jonasson. Der Schwede hatte hierzulande vor fünf Jahren einen überwältigenden Erfolg gefeiert mit "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", den er allerdings mit seinem zweiten Buch zwei Jahre später nicht ganz bestätigen konnte, fiel "Die Analphabetin, die rechnen konnte" gegenüber dem Sensationsdebüt doch merklich ab. Nun gut, nach dem Hundertjährigen und der Analphabetin jetzt also Mörder Anders. Jonasson ist dabei seinem Konzept, eine maximal skurrile Geschichte mit allen erdenklichen Absurditäten zu erzählen, treu geblieben.
Für die vorliegende Lesung des Buchs hat der herausgebende Hörverlag bereits den dritten Sprecher - bezogen auf die drei bisherigen Bücher Jonassons - ausgewählt. Okay, Otto Sander, der den Hundertjährigen intoniert hatte, ist mittlerweile gestorben, und Katharina Thalbach, die der Analphabetin ihre Stimme geliehen hatte, mag nicht unbedingt die perfekte Passung für den Mörder Anders gehabt haben. Drum haben die Münchener Hörbuch-Spezialisten Jürgen von der Lippe hinters Mikrofon geholt und damit einen wahren Volltreffer gelandet. In den ersten Minuten fragt man sich noch, ob das wirklich Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp ist, der die Geschichte zum Besten gibt. Doch nachdem die drei zentralen Charaktere eingeführt sind und ins Geschehen eingreifen, beginnt er, diesen dank seiner stimmlichen Akrobatik eigene Identitäten zu verleihen, die mindestens so lustig klingen wie Jonassons Geschichte sein möchte.
In der Musik wie auch in der Schriftstellerei kennt man zahlreiche One-Hit-Wonders, ein solches ist Jonas Jonasson zwar nicht geblieben, doch wird er zeit seines Lebens damit zu kämpfen haben, nochmal einen derart großen Erfolg zu feiern wie mit dem Hundertjährigen. Zum einen verpufft der Überraschungseffekt bei der beständigen Wiederholung eines Erfolgskonzepts, zum anderen fehlt dem Mörder Anders und seinen Mitstreitern der sympathische Tiefgang, und außerdem hat man das Gefühl, dass die Handlung zwischendurch eher so vor sich hinplätschert. Da war der Hundertjährige trotz seines hohen Alters deutlich dynamischer unterwegs! Doch wer sich trotz des nicht zu leugnenden Abwärtstrends auch den dritten Jonasson-Roman einverleiben möchte, der möge bitte direkt in die Ecke mit den Hörbüchern gehen und dort die phantastische Lesung von Jürgen von der Lippe erwerben. Donnerlippchen!
Christoph Mahnel
14.06.2016