Hörbücher
Was vom Traum übrig blieb
Zu jener Zeit, als Berlin noch eine Stadt von Weltrang war, beobachtete ein gewisser Rudolf Ditzen sich und seine Mitmenschen sehr genau und wurde als Hans Fallada und dank einiger in der ersten H?lfte des 20. Jahrhunderts geschaffener Werke zu einem Schriftsteller von nicht unerheblicher nationaler Bedeutung. Zu den Romanen Falladas, die es als Kulturgut in den K?pfen der Menschen bis ins neue Jahrtausend geschafft haben, geh?rt die dieser Tage in einer wunderbaren H?rbuchfassung erschienene Lebensgeschichte des Karl Siebrecht als "Ein Mann will nach oben".
Der junge Karl Siebrecht verl?sst im Jahre 1909, also noch zur Zeit des Kaiserreichs von Wilhelm II., das heimische Dorf in der Uckermark, da er nach dem Tode seiner Eltern in Berlin seinen Weg gehen m?chte. Karls "Karriere" im Zentrum des Deutschen Reichs, ist gekennzeichnet von unz?hligen Hochs und Tiefs, sowohl privater als auch beruflicher Natur. Bereits auf der Bahnfahrt nach Berlin lernt er seine sp?tere Frau, die junge G?re Rieke Busch kennen. Mit einigen Jobs als Tagel?hner beginnt er seinen Traum in Berlin. Der gro?e Durchbruch gelingt ihm einige Jahre sp?ter, als er umsichtig und zusammen mit seinem Freund Kalli Flau in der Gep?ckbef?rderungsbranche das gemeinsame Unternehmen peu ? peu expandiert. Der kurze Zeit sp?ter beginnende Erste Weltkrieg macht jedoch nicht nur so einiges im Leben des Karl Siebrecht zunichte.
Falladas w?hrend des Zweiten Weltkriegs verfasste Romanvorlage f?r die vorliegende H?rbuchfassung wurde im Jahre 1953, also erst sechs Jahre nach dessen Tod als Buch ver?ffentlicht. Einer breiten ?ffentlichkeit bekannt gemacht wurde "Ein Mann will nach oben" durch die 1978 im ZDF ausgestrahlte 13-teilige gleichnamige Fernsehserie mit Mathieu Carri?re und Ursela Monn in den Hauptrollen.
Die Lesung des vorliegenden H?rbuchs erfolgt durch Ulrich Noethen mit demjenigen Sprecher, der es bereits f?r die vorangegangene Lesung eines Falladas bis in das Finale des Deutschen H?rbuchpreises 2012 geschafft hatte. Auch in "Ein Mann will nach oben" stellt Noethen Autor und Protagonisten durch seinen meisterhaften Vortrag wieder in den Schatten. Wenn Noethen als Rieke Busch zu berlinern beginnt, dann wird das Berlin des fr?hen zwanzigsten Jahrhunderts wieder lebendig und man meint, die Droschken vor dem geistigen Auge ?ber die Friedrichstra?e vor?berziehen zu sehen.
Hans Falladas "Ein Mann will nach oben" illustriert facettenreich den Gro?stadt-Traum eines jungen Manns vom Land. Es zeigt, dass man sich mit Einsatz und Beharrlichkeit viel von seinem Traum verwirklichen kann. Doch sind es neben den politischen Gegebenheiten einige Nuancen im Seelenleben, vor allem ein gewisser Wankelmut des Karl Siebrechts, die das sorgsam Aufgebaute immer wieder zum Einst?rzen bringen. Fallada arbeitet die Wegscheiden im Leben von Karl Siebrecht fein heraus, an denen f?r jedermann sichtbar die Weichen f?r die Zukunft gestellt werden.
Knapp einhundert Jahre nach dem Beginn des schriftstellerischen Wirken Hans Falladas scheint wahrlich eine Zeit der Renaissance f?r dessen Werke gekommen zu sein. Nach dem durchschlagenden Erfolg von "Jeder stirbt f?r sich alleine" im vergangenen Jahr, als die Lesung dieses Buches durch Ulrich Noethen bei Osterwold Audio erschienen waren, hat sich der Hamburger Verlag in diesem Jahr auf die Vertonung der Geschichte des Karl Siebrechts gest?rzt. Diejenigen, die den saloppen und schnoddrigen, aber feinsinnigen Ton Falladas aus dem Berlin der ersten H?lfte des 20. Jahrhunderts sch?tzen gelernt haben, d?rfen auch weiterhin erleichtert in die Zukunft schauen, denn bereits f?r diesen Herbst hat Osterwold Audio mit "Bauern, Bonzen und Bomben" die Aufarbeitung des n?chsten Werks aus dem Portfolio des umstrittenen Berliners ins Auge gefasst.
Christoph Mahnel
14.05.2012