Romane
Ein Buch über die "Flut der Lust"
Von einer Bl?te zur n?chsten. Schmetterlinge gaukeln durch die Welt und kosten sie richtig aus. So etwa mag man das Buch deuten, das Henri Haeckel mit dem Titel "Schmetterling - quo vadis?" ver?ffentlicht hat. Da stellt sich nat?rlich die Frage, ob der Protagonist, der in der Ich-Form handelt und spricht, sich selber als Schmetterling f?hlt und sich auch so benimmt. Oder ob er die Frauen, die ihm begegnen, als Schmetterlinge sieht. Am wahrscheinlichsten erscheint dem Leser die L?sung dazwischen: Es begegnen sich Schmetterlinge und die Begegnungen dieser Art behagen allen Figuren ?beraus. Damit wird klar: Es ist ein emotionales Buch. Es ist ein Buch mit W?nschen und Sehns?chten, die nicht unerf?llt in den Texten h?ngenbleiben. Nein, sie erf?llen sich mit sinnlichen Freuden, die auch sinnlich genug zur Sprache finden.
Nach seiner Scheidung trifft der im Verlagswesen t?tige Protagonist auf Frauen, deren R?tsel erst gel?st werden m?ssen. Es beginnt mit Joueli aus K?snacht und endet eigentlich nie. Der Autor l?sst den Leser dabei sein und die Gef?hlsregungen nachempfinden oder wenigstens interpretieren. Der Leser wird selber entscheiden m?ssen, ob er Leser bleiben oder mitgehen will. Der Autor h?lt sich da zur?ck, er bleibt an der Handlung und er bleibt hier sehr konkret.
Die Bereitschaft, dem Autor ?ber 289 Seiten zu folgen und seinem Abenteuer mitzufiebern, muss der Leser selbstverst?ndlich mitbringen. Aber welcher Leser tut das nicht, vor allem wenn hinter den Ereignissen auch etwas Interpretation zu lesen steht. Und steht man inmitten dieser Stimmungen, dieser Schw?rmerei und dieser lustvollen Abende. "Den Augenblick zu begreifen lernen, bedeutet h?chste Lust des Lebens", gibt der Autor zu verstehen. Das sind die Fl?gelschl?ge des Schmetterlings.
Wer auch nur fl?chtig in Z?rich war, wird die Stellen auf Anhieb einordnen k?nnen. Vom Niederdorf ist die Rede, vom legend?ren Odeon, auch vom Caf? am Paradeplatz, das sich f?r Ann?herungen ausgesprochen gut eignet. Noch tiefer: an die Langstra?e, rein ins Vergn?gen. Es wird niemanden erstaunen, dass sich immer wieder Passagen anbieten, die Men?karten verraten und das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Genuss pur. Das Leben will es nicht anders.
Mitten in die Liebesszenarien setzt der Autor Gedichte ein. Sie bilden mit dem Prosatext eine sch?ne Einheit. Aber der Handlungsstrang f?hrt nicht nur ins Bett, sondern auch ins Sitzungszimmer. Hier, an der Kadersitzung, wird die Sprache eine andere, sie wird n?chtern, sachlich, ja k?hl. Wetten, dass der Durchschnittsleser, wer dieser auch sein mag, diese Stellen des Geldverdienens und des Kommerzes m?glichst rasch hinter sich bringen will?
Ob das Buch auch eine Art Bew?ltigung ist? "Nur Geschriebenes beweist, was geflissentlich m?ndlich so verdreht wird." Insofern hat der "Schmetterling" inmitten der "Flut der Lust" etwas Ehrliches an sich, etwas Naturnahes und etwas Befreiendes.
Die Texte pr?sentieren sich sprachlich gut, alles bleibt verst?ndlich und nachvollziehbar. Es wird nichts vorget?uscht und nichts ?bert?ncht. Im Gegenteil: Mancher Leser wird sich dabei ertappen, innerlich gesagt zu haben: So ist es, ja, genau so. Das stimmt f?r mich, so bin ich. Genau so ist es am Bellevue und in Z?richs s?ndhaften Meilen.
Damit schl?gt der Autor eine Br?cke zum Leser, den er zum Begleiter und Freund erhebt. In seiner Jugend hatte der Protagonist unter der Bettdecke mit der Taschenlampe spannende Texte verschlungen. Die Bettdecke ist geblieben, die Spannung auch. Man wird das Buch mit einem sehr leichten, wohl sehr befriedigten Schmunzeln weglegen.
Ronald Roggen
30.01.2012