Romane
Ein seltenes Juwel im Bücherregal
Claras Leben verläuft Tag für Tag in denselben Bahnen. Als Friseurin in einem kleinen, altmodischen Salon irgendwo in Frankreich hört sie sich geduldig die Geschichten ihrer Kundinnen und ihrer chronisch unzufriedenen Chefin Madame Habib an. Zu Hause verbringt sie geruhsame Abende auf der Couch mit ihrem Freund und ihrer Katze, die sich partout nicht streicheln lassen will. Doch dann vergisst eines Tages ein Fremder, dem sie gerade die Haare geschnitten hat, sein Buch im Salon. Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Clara, die eigentlich überhaupt nichts mit Literatur am Hut hat, beginnt zu blättern, liest und liest weiter bis zur letzten Seite. Und sie merkt, dass dieser Proust, diese Geschichte etwas in ihr auslöst, dass nach dieser Lektüre in ihrem Leben nichts mehr so sein wird wie vorher ...
Belletristik in ihrer schönsten Form - genau das sind die Geschichten aus Stéphane Carliers Feder. Die Lektüre von "Clara und die Poesie des Lebens" kommt einer Verführung für alle Sinne gleich. Dieser zu widerstehen, ist schier unmöglich! Aus gutem Grund, denn mit dem vorliegenden Buch liest man sich in einen noch nie dagewesenen angenehmen Rauschzustand. Zudem ist es der Beweis: Carlier gehört zu den großen und großartigsten Geschichtenerzählern Frankreichs. Er schreibt Literatur zum Seufzen schön und von betörender Anmut und Eleganz. Sein Können grenzt an Kunst. Chapeau! Den vorliegenden Roman zu lesen, ist ein Geschenk; noch dazu eines, das noch lange nach dem letzten Satz im Herzen sowie im Kopf des Rezipienten verbleibt und (nach)hallt. Absolut grandios! Definitiv ein Geniestreich, durch nichts zu übertreffen!
Was Stéphane Carlier schreibt, ist Balsam für das Herz und wie eine Streicheleinheit für die Seele. Kurzum: das beste, außerdem wirksamste Antidepressivum im Bücherregal! Während der Lektüre von "Clara und die Poesie des Lebens" empfindet man Glück pur, aber auch einen Anflug von Melancholie. Denn diese macht einen ebenso freudetrunken wie traurig; ähnlich wie das Leben an sich. Da dauert es nicht lange, bis einem ganz schwindelig ist. So wie hier, genau so muss Literatur sein. Und das unbedingt immer!
Susann Fleischer
11.03.2024