Romane
Ein literarisches Juwel von großer Seltenheit
Es ist ein ziemlich übler Tag im Leben von Anton, dem Fahrer eines Linienbusses auf dem Land. Vor kurzem hat er sich verliebt: in Doris, seine Nachbarin. Doch letzte Nacht hat er auf ihrem Balkon einen Mann husten gehört. Dann steigt auch noch die krebskranke Carla in den Bus, die ein letztes Mal das Meer sehen möchte, und zwar sofort. Es ist heiß, die Gedanken rasen in Antons Kopf. Mut gehört nicht zu seinen Stärken. Aber hatte Doris nicht gesagt, sie möge Männer, die sich etwas trauen? Anton beschließt, sein bisschen Mut zusammenzukratzen und die Route zu ändern. Wenig später hören die Fahrgäste eine Durchsage: "Wir fahren jetzt ans Meer." Anton lenkt seinen Bus auf die Autobahn gen Süden, genauer: nach San Marco an der Adria.
Mit neunzig Stundenkilometern nähern sich Anton, Clara, die Schüler Annika, Ferdinand, Eva und Helene sowie die demente Frau Prenosil dem Ziel, stets in der Angst von der Polizei gestoppt zu werden. Was Anton (noch) nicht ahnt: Er wird tatsächlich verfolgt, ausgerechnet von Doris. Nach einem Telefonat mit seiner Mutter hat diese bei Doris Alarm geschlagen. Ohne weiter nachzudenken ist sie ins nächstbeste Auto gesprungen, kommt allerdings nur im Stop-and-go-Tempo voran. Anton derweil kommt in die Bredouille, sein Dasein zu überdenken. Etwas muss sich dringend ändern. Die Frage bleibt jedoch: was? Und vor allem wie soll er das bloß anstellen? Der Roadtrip gestaltet sich zu einem aberwitzigen Abenteuer mitten hinein ins Leben ...
Unterhaltung, die alles andere als nullachtfünfzehn sind - die Romane von René Freund überraschen mit so manch schrägen Einfällen. Langeweile? Definitiv zu keinem Satz von "Ans Meer". Wenigstens für ein paar Stunden ist es endlich vorbei mit ätzenden, öden Nachmittagen, Abenden und sogar Wochenenden. Denn zwischen zwei Buchdeckeln steckt ein Lesevergnügen der höchst turbulenten, aber auch charmanten Sorte. Dank diesem kommt ordentlich gute Stimmung in die ganze Wohnung. Herrlich, einfach nur herrlich schräg und so originell wie kaum etwas anderes. Der österreichische Schriftsteller macht seine Leser so glücklich, dass ihnen ganz schwindelig wird. Seine Werke sind ein Spaß ohne Grenzen. Noch weitaus besser als Schokolade!
René Freunds Geschichten zeugen von solch einer Schwermut, zugleich aber auch Leichtigkeit, dass man sich nach nur wenigen Sätzen ganz freudetrunken fühlt. Während der Lektüre von "Ans Meer" amüsiert man sich aufs Herrlichste. Die Story bringt den Leser zum Lachen und zum Weinen. Was man hier nämlich in die Hände kriegt, ist Literatur voller feinsinnigem Humor und noch mehr Emotionen. Da macht garantiert jedes Frauenherz vor lauter Lesebegeisterung wilde Freudenhüpfer, hoch und höher.
Susann Fleischer
02.07.2018