Krimis & Thriller
Gewalt zahlt sich aus
22.11.1963: Ein Polizist kommt nach Dallas, offiziell soll er eine Überstellung leiten. Doch es kommt anders. J.F.K ist erschossen worden. Und der amerikanische Albtraum beginnt da, wo der Thriller endete.
Als Neuleser von Ellroy fällt man unvorbereitet in einen Wust aus Menschen, Beziehungen und Intrigen. Wayne Tedrow ist nicht nur Polizist, er ist der Sohn eines berüchtigten Rassisten und Antisemiten. Und es ist fast zu viel, wer laut dieser hier im Buch vorgestellten Verschwörungstheorie mitwirkt an politischen Winkelzügen und Attentaten. Hoover, der Direktor des FBI, gibt seine Anweisungen, neben anderen erdachten Haupt- und realen Nebenpersonen wie Howard Hughes, einer der reichsten Männer der Welt.
Es dauert seine Zeit, bis man weiß, wer genau mitspielt und welche Rolle jeder hat, will oder vermutet zu haben. Denn darum geht es. James Ellroy baut eine Geschichte auf, in der es nicht um den amerikanischen Traum geht, es kann nur jeder vom Tellerwäscher zum Verbrecher werden, während er versucht, seinen Traum zu verwirklichen, im Spiel zu bleiben und das große Geld zu machen.
Es fängt in Dallas an und Las Vegas, Spielhölle und Arbeitsstätte einer mafiaverseuchten Polizei, führt den Leser tiefer in ein Schlammloch aus Gewalt, Geschäft und Gefühlen.
Auch Vietnam ist eine Einnahmequelle und der Krieg macht es erst möglich, sie optimal zu nutzen. Martin Luther King; ein Störenfried, und wenn dies Männer mit Geld denken, dann wird observiert, infiltriert, radiert. Und so führt Ellroy den Leser durch Perioden der amerikanischen Geschichte, nur sind diese aus einer solchen Perspektive in der Tat nichts anderes als ein faszinierender Albtraum.
In einer Mischung aus Prosa und Dokumenteneinschüben, aus Zeitungsüberschriften- und Artikeln oder Telefonprotokollen, aus Fiktion und Realität also, bietet James Ellroy seine Version eines historischen Romans an. Als Erklärung für die amerikanische Geschichte von ’63 bis ’68.
Was dieses Buch so anders macht, ist neben dem dicht gewobenen, komplizierten Geschehen seine packende Sprache. James Ellroy schreibt abgehackt, in oft kurzen, einfachen Sätzen, die kalt und abweisend sind (sogar Liebesbeziehungen erscheinen auf diese Weise in einem absonderlichen Licht). Sein Stil lässt die unglaubliche, allgegenwärtige Gewalt des Romangeschehens noch unfassbarer, zugleich aber auch normaler werden. Und, egal, welchem Gegenstand er sich widmet: Die Sprache bleibt immer gleich. Und sie zeigt sie uns, wie Ellroy die Geschichte sieht: Egal, ob man versucht auszubrechen oder zu verändern, es geht weiter. Es bleibt immer dasselbe.
Wer diesen Autor noch nie gelesen hat, wird mit seiner Art zu schreiben möglicherweise Schwierigkeiten haben, sie ist gewöhnungsbedürftig, dann aber packt sie einen gerade durch ihre Monotonie, durch den dadurch entstehenden Rhythmus.
msk
07.08.2002