Krimis & Thriller

Beste Spannung aus Schweden

Konrad Jonsson kehrt zurück an den Ort seiner Kindheit, aber auch in eine Zeit voller schmerzhafter Erinnerungen. Als Siebenjähriger war er von Herman und Signe Jönsson adoptiert worden und lebte ein Jahrzehnt unter ihrem Dach, bevor er ausbrach und hinaus in die weite Welt flüchtete. Doch nun sind Herman und Signe tot, hinterhältig ermordet worden, wobei vom Täter jede Spur fehlt. Knapp drei Jahrzehnte nachdem er Tomelilla den Rücken zugewandt hatte, kehrt Konrad wieder in das Provinznest nahe Ystad zurück. Wer hat Herman und Signe ermordet? Die örtliche Polizei scheint Konrad zu verdächtigen. Schließlich hat er ein Motiv, denn seine Adoptiveltern hatten kurz zuvor mehrere Millionen im Lotto gewonnen und Konrad würde als Erbe davon profitieren!

Es ist schon erstaunlich, wie immer wieder urplötzlich ein schwedischer No-Name daherkommt und einen erstklassigen Kriminalroman abliefert. Nicht nur die Tatsache, dass sich die Liste der schwedischen Bestseller-Autoren kontinuierlich erweitert, sondern dass auch unbekannte Schriftsteller aus der zweiten Reihe wie Pilze aus dem Boden schießen, macht Schweden zum führenden Land des fiktiven Verbrechens. Wenn man in ferner Zukunft das 20. und 21. Jahrhundert historisch betrachten wird und europäische Länder kategorisieren möchte, wird man sicherlich Frankreich als Land des Weines und Käse, Italien als Land von Pizza und Pasta einordnen, aber im selben Atemzug garantiert Schweden als Land des Kriminalromans nennen, das Leser auf dem ganzen Kontinent in Atem gehalten hat.

Olle Lönnaeus ist ein solcher Mann aus der zweiten Reihe. Als langjähriger und erfolgreicher Journalist bei einer schwedischen Tageszeitung hat er nun mit "Das fremde Kind" sein schriftstellerisches Debüt vorgelegt, wofür er umgehend 2009 den Preis für das beste schwedische Krimidebüt durch die Schwedische Krimi-Akademie erhalten hat und somit denselben Einstieg hinlegte wie einst Håkan Nesser, einer der schwerwiegenden Gründe für die obige historische Einordnung Schwedens.

Lönnaeus' Erstling besticht durch einen simplen Plot und eine unkomplizierte Sprache: Ein dem Alkohol zugeneigter ehemaliger Seemann und Journalist kommt in das Provinznest zurück, in dem seine Mutter einst verschwunden ist, er selbst unter den Anfeindungen seiner Mitschüler und seines Adoptivbruders Klas gelitten hat, er seinen einzigen Freund Sven nach dessen zögerlichen Coming-out fallengelassen hat und letztlich die Flucht angetreten ist. Darüber hinaus befinden sich dort auch knapp dreißig Jahre später immer noch einige seiner alten Weggefährten, die ihm mehr oder weniger behilflich sind bei der Suche nach dem Mörder. Daran will sich die örtliche Polizei nämlich nicht so recht beteiligen, schließlich hat sie mit ihm einen verdächtigen Kandidaten mit plausiblem Motiv in der Hinterhand.

Gekonnt beschreibt Lönnaeus auch die Surrealität, die in Tomelilla vorherrscht, so dass er Konrad irgendwann die Fassung verlieren lässt ob des skurrilen Klimas, das ihm von der kleinen Stadt und seinen Einwohnern entgegenschlägt. Sehr anschaulich integriert Lönnaeus auch die immanente Fremdenfeindlichkeit in der schwedischen Provinz, sei es in den Sechzigern und Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts oder auch in diesen Tagen. Einst wurde Konrad als Sohn einer "Polackenhure" diffamiert, heute wird der Mörder zweier Albaner von Schwedendemokraten als Justizopfer auf dem Marktplatz gefeiert.

Kenner schwedischer Kriminalromane werden sich bei dem vorliegenden Buch gewiss sofort an Håkan Nessers "Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla" erinnert fühlen, wo sowohl die zeitlichen Ebenen des Geschehens als auch die Grundkonstellationen des Romans sehr ähnlich sind. Auch kann sich Lönnaeus einen augenzwinkernden Verweis auf einen weiteren großen schwedischen Schreibtisch-Kriminalisten nicht verkneifen, als er Konrad auf der Polizeidirektion in Ystad nach Henning Mankells Kommissar Wallander fragen lässt. Die deutsch-schwedischen Handelsbeziehungen sollten zukünftig weitere Erleichterungen erfahren, so dass die zahlreich vorhandenen schwedischen Schriftsteller ihre Produkte auf einfachem Weg auf dem hiesigen Markt platzieren können. Von derart gelungenen Kriminalromanen wie dem vorliegenden kann man einfach nicht genug bekommen!

Christoph Mahnel
11.04.2011

 
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Das Buch:

Olle Lönnaeus: Das fremde Kind. Aus dem Schwedischen von Antje Rieck-Blankenburg

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Reinbek: Rowohlt Polaris Verlag 2011
464 S., € 14,95
ISBN: 978-3-86252-009-1

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