Krimis & Thriller

Eine Branche im Umbruch

In der Filmbranche geschieht zu Beginn der 1930er Jahre mit dem Einzug des Tonfilms Entscheidendes. Die Zeit von Filmen á la Charlie Chaplin mit Filmorgel und Textschildern sind nun endgültig vorbei. Doch bleiben im Zuge der Umwälzungen viele Menschen auf der Strecke, u. a. jene Schauspielerinnen, die keine gute Sprechstimme haben. Doch für andere eröffnet sich auch eine einmalige Chance, zum Beispiel für Betty Winter.

Betty Winter ist eine Schauspielerin, die mit ihrem zweiten Tonfilm "Liebesgewitter" groß herauskommen soll. Doch dann ereignet sich ein tragischer Unfall: Ein Scheinwerfer fällt direkt auf sie herab und ihr Ehemann begeht die Dummheit, sie mit einem Eimer Wasser zu übergießen. Betty stirbt. Die Sachlage ist eindeutig. Also wird Kommissar Gereon Rath mit diesem Fall betraut. Dieser geht der Sache nach und entdeckt, dass von einem Konkurrenten ein Beleuchter in die Firma La Belle eingeschleust worden ist, um Sabotage zu betreiben. Das Problem ist nur, dass der Kommissar diesen Konkurrenten, es handelt sich um den Produzenten Oppenberg, von früher her kennt. Rath war erst seit kurzer Zeit von der Karnevalshochburg Köln nach Berlin gezogen, als Oppenberg ihn in einen Sumpf aus Nachtclubs und Kokain zog. Doch diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Neben der Fahndung nach Felix Krempin, dem besagten Beleuchter, wird Gereon Rath von Oppenberg gebeten, seine verschwundene Star-Schauspielerin Vivian Franck ausfindig zu machen. Sie ist bei der Premiere zu ihrem ersten Tonfilm nicht erschienen und die Dreharbeiten zum nächsten können ohne sie nicht durchgeführt werden. Im Laufe seiner Recherche stellt sich heraus, dass sie ihren langjährigen Produzenten Oppenberg verlassen wollte, um mit jemand anderem zusammenzuarbeiten. Doch dazu soll es nie kommen, denn Vivian wird tot aufgefunden. Ihre Stimmbänder sind entfernt worden, aber die genaue Todesursache ist ungeklärt. Nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Die Großstadtpresse gibt dem gesuchten Felix Krempin die Schuld an dem tödlichen Unfall Betty Winters und am Tod Vivian Francks. Einzig Gereon Rath glaubt nicht, dass Krempin den Tod beider Schauspielerinnen verursacht hat. Doch bevor er dessen Unschuld beweisen kann, springt der Beschuldigte vom Berliner Funkturm. Oder wurde er doch gestoßen?

Die Situation verschärft sich, als erneut eine junge, im Aufgehen begriffene Schauspielerin tot aufgefunden wird. Auch bei ihr wurden die Stimmbänder entfernt, die Todesursache ist noch nicht klar. Nun rennt die Zeit. Der Mörder muss baldmöglichst gefasst werden, damit nicht noch mehr Schauspielerinnen ihr Leben verlieren.

Neben der Arbeit als Kommissar hat Gereon Rath mit den Unzulänglichkeiten des alltäglichen Lebens zu kämpfen: Er ist immer noch in Charlotte Ritter, eine Stenotypistin im Polizeipräsidium, verliebt. Nachdem er sie nach längerer Zeit wieder gesehen hat, gerät er mit einem seiner Kollegen aneinander, der Charlottes Ehre beschmutzt hat, weshalb ihm Rath eine Ohrfeige verpasst. Nun droht ein Disziplinarverfahren.

Der Krimi Volker Kutschers reiht sich nahezu nahtlos an den Vorgänger "Der nasse Fisch" an. Es wird eine Filmindustrie gezeigt, deren Träume sich zu Alpträumen entwickeln können. Der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm hat dramatische Konsequenzen. Die Schwierigkeiten zeigen sich nicht nur in den finanziellen, sondern auch in den ästhetischen Dimensionen. So sind Stummfilme eine Art von Kunst, die gelebt werden möchten. Der Tonfilm hingegen zerstört das Kunstwerk. Dieser Aspekt bietet Aufklärungsansätze für die Morde. Dabei wird die Spannung bis zuletzt aufrechterhalten. Ahnt der Leser an einigen Stellen durch Einblendungen schon, wer der tatsächliche Mörder sein könnte, wird die Auflösung des spannenden Plots trotzdem erst auf den letzten Seiten gegeben.

Sehr detailreich wird das Berliner Leben wiedergegeben. Man geht mit Gereon Rath und der Hundedame Kirie am Luisenufer Gassi oder sitzt mit seinem Freund im "Nassen Dreieck". Dabei kommen auch die Berliner Schnauze und die Frechheit der Berliner nicht zu kurz. Diese stehen dem meist ernsten und doch recht nachdenklichen Gereon Rath gegenüber. Auf diese Weise zeigt sich seine sensible, wenn auch recht raue Seele, die einen Partner sucht. Dabei verliert er seine Arbeit jedoch nie aus den Augen.

Susann Fleischer
30.03.2009

 
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Das Buch:

Volker Kutscher: Der stumme Tod

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Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
544 S., € 19,95
ISBN: 978-3-462-04074-6

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