Medien & Gesellschaft
Milde mit Marx
Undenkbar, daß ein Mann wie Marx nicht von Kritikern Maß genommen wird. Undenkbar auch, daß Karl Marx kein Modell für Karikaturisten ist. Gibt´s aber eine Marx-Karikatur, die bekannter ist als der Mann, wie das die Fotos von Albert Einstein (mit viel Zunge) und Che Guevarra (mit signalrotem Stern am Hut) sind? Gibt’s nicht! Muß das, auch das, Marx angekreidet werden? Nein! Die Karikaturisten sind schuld. Sie haben aus dem Wesen und Werk des Wissenschaftlers nicht herausgeholt, was herauszuholen ist.
Wie Karl Marx und der Marxismus in der Karikatur aussehen, läßt sich in dem wahrlich erfreulichen Band mit dem sinnig-schelmischen Titel "Grüß Gott, da bin ich wieder" ansehen. Als wäre er je abwesend gewesen! Er war es auch nicht 1989/90, als Provinzpolitiker aller Weltecken den Mann in die Mottenkiste der Geschichte stecken wollten. Eine Flut von Marx-Karikaturen ist im letztverflossenen Vierteljahrhundert über uns gekommen. Manches Platte, Propagandistische, Peinliche. Vor allem aber Gewitztes bis Witziges, Heiteres und Hintersinniges. Kaum Verächtlichmachendes, Verdammendes. Die kritischen Karikaturisten brechen Marx nicht die Knochen. Sie drehen ihn auch nicht durch den satirischen Fleischwolf. In den Karikaturen taucht Marx selten als mißverstandener Weltgeist, sondern als mißbrauchter oder miesgemachter Weltverbesserer auf. Nicht Karl Marx ist die Kalamität. Die Kalamität, so die Karikaturisten, sind die unkundigen Marx-Verächter. Sie liefern den Stoff, um den Mann auf´s Korn zu nehmen. Das war so schon 1843, der Zeit, aus der die erste der abgedruckten Karikaturen stammt. Das ist auch in der unmittelbaren Gegenwart nicht anders, in der der milde Umgang mit Marx am ehesten die Haltung der Karikaturisten ist.
Mehr als eine reine Sammlung der Karikaturen, sieht der Band aus wie eine Enzyklopädie graphischer Darstellungen des Karl Marx. Der enzyklopädische Charakter der Bild-Text-Edition bestimmt die Gesamtgestaltung. Die beeinträchtigt den Betrachter. Viele bildliche Wiedergaben sind zu klein und werden durch schriftliche Zu-Sätze bedrängt. Zudem wechseln fortwährend Schrifthöhe und Schriftstärke, was das Lesen beeinträchtigt. Die Gestalter haben das Buch, das als vergnügliche Annäherung an Marx gedacht ist, zu einer ernsthaften Anstrengung gemacht. Die werden sich die Nachgeborenen kaum gefallen lassen. Also wird das Buch am ehesten nicht in die Hand derjenigen kommen, in die es am ehesten sollte. Das muß gesagt sein. Ganz im Sinne von Karl Marx, der sagte: „Die Kritik der Waffe kann die Waffe der Kritik nicht ersetzen.“ In die Ausgabe hätten durchaus mehr von den groben Götzendarstellungen des Karl Marx aufgenommen werden können, die penetrante Karikaturen sind. Marx-Darstellungen über die Gerhard Marcks in einem nie publizierten Brief an einen bekannten Bildhauer schrieb: "Warum haben Sie soviel schönen Granit für soviel Bart vertan?"
Bernd Heimberger
03.03.2008