Biographie
Auf in neue Welten!
Wie bedeutsam es ist, Erinnerungen für nachfolgende Generationen festzuhalten und sich der Wurzeln seiner familiären Herkunft zu versichern, wie schwierig die Lebensbedingungen unserer Vorfahren gewesen sind, die in erheblichem Maße der Willkür der Natur ausgesetzt waren und deren Existenz davon abhing, verdeutlicht die Reise- und Auswanderergeschichte "1849 Von Sachsen nach Rice Lake" von Rudolf Lukasek, die sich literarischer Mittel ebenso bedient wie einer dokumentarischen Aufbereitung.
Das Werk hat eine faszinierende Vorgeschichte, denn es beruht auf dem Fund des Autors alter historischer Dokumente und Briefe, anhand derer dem Leben des Protagonisten Johann Gottfried Ursinus zwischen seiner ländlichen Herkunft aus dem Dorf Gatzen und seiner Reise durch nordamerikanische Gefilde nachgespürt wird. Ursinus war ein unmittelbarer Vorfahre der Familie von Rudolf Lukaseks Frau Heidi.
In sein Schicksal, seinen Werdegang zwischen Aufbruch und Ankunft, alter und neuer Welt, Hoffnungen und Rückschlägen, versetzt sich der Autor und vermittelt einen glaubhaften Eindruck vergangener Epochen und ihrer Charakteristiken. Genauer gesagt erhält der Leser einen Einblick in das Leben im 19. Jahrhundert. Kristallisationspunkt ist das schicksalhafte Jahr 1849, das Jahr der deutschen Revolution und eines auch dadurch bedingten Aufbruchs von Menschen in alle Herren Länder, der durch Armut, Hungersnöte, Naturkatastrophen wie auch die politischen und kriegerischen Wirren motiviert war. Diesem Aufbruch schließt sich die zentrale Figur des Werkes an.
Was Menschen in diesen Jahren dazu trieb, bestehende Existenzen, die alles andere als sicher und beständig waren, aufzugeben und sich auf die Suche nach einem neuen Lebensglück zu machen, beschreibt der Autor anhand dieser exemplarischen Auswanderergeschichte. Was, so könnte man fragen, bleibt einem jungen Mann wie Ursinus in jener Zeit übrig, als diesen Schritt zu wagen, in ein Land überzusiedeln, dessen Ruf nach Arbeitskräften gerade auch in der "alten Welt" deutlich zu vernehmen ist? Mitunter beschleunigte diesen Aufbruch die Tatsache, dass seine Liebe zu Lina keine Erfüllung finden wird, da der Vater des Mädchens der Verbindung keinen Segen geben wollte. Man kann verstehen, dass angesichts solcher Vorzeichen die Trennung von der Familie und der Aufbruch in eine ungewisse Zukunft schneller vollzogen werden. Die Hoffnung auf einen Neuanfang, auf ein besseres Leben anderswo, lässt Menschen schneller ihre Koffer packen.
Bis aus Johann dann schließlich "Fred" wird, vergeht ein Prozeß, der nicht ohne Mühen und Rückschläge abläuft, und der den Protagonisten von New Orléans, Menemonie in Wisconsin, Rice Lake bis nach Chicago führen wird. Dazwischen ist er eingebunden in amerikanische Geschichte, spürt die Auswirkungen von Rassenproblematik und Bürgerkrieg, versucht sich im Kolonialwarenhandel, einer Sägemühle und in der Landwirtschaft und kann nach einem erfüllten Leben auf das zurückschauen, was ein zentrales Fundament einer Existenz ausmachen kann: Heimat und Zufriedenheit.
Rudolf Lukaseks Auswandererepos beinhaltet ein breites Spektrum an Lektüreeindrücken. Erzählt wird einerseits eine packende Familiensaga, die Kontinente und Jahrhunderte miteinander verbindet wie das kleine Dorf mit der großen Welt, auf der anderen Seite wird ein einzelnes Familienschicksal als Miniatur in die große Weltgeschichte eingebettet. Auf ebenso unterhaltsame wie spannende Weise verbinden sich Elemente des historischen Romans, der Abenteuergeschichte und der Lebenserinnerung.
Ein Blick in die Geschichte, der sich lohnt, ein emotionales Stück Literatur!
Dr. Matthias Deußer
12.01.2015