Erzählbände & Kurzprosa
John Updike trauriger , aber fulminanter Abgesang
Der Autor John Updike ist auf immer und ewig mit seinem größten Werk, dem Roman "Die Hexen von Eastwick", verbunden - zumindest für jene, die eher literarischen Verfilmungen etwas abgewinnen können und aus diesem Grunde dicke Wälzer eher seltener ihr Eigen nennen. Alle anderen wissen Updikes Schreibkunst auch dann zu schätzen, wenn sie eher in leisen Tönen daherkommt. So wie in seinem wohl letzten Buch "Die Tränen meines Vaters", in dem 18 Erzählungen den Leser auf eine Reise durch die Zeiten, Länder und Kulturen schicken und dabei auf großartige Weise unterhalten - einem Prosawerk von epischer Ausmaße wie „Die Hexen" gar nicht so unähnlich.
John Updike benötigt weniger als 400 Seiten, um dem Leser die ganze Bandbreite des Lebens darzubieten und dabei unterschiedlichste Emotionen auszulösen. Man gerät ins Lachen, wenn man einem Liebestechtelmechtel beiwohnt, ins Träumen, wenn man durch die Weiten Italiens reist, und in verzweifelte Traurigkeit, wenn man abermals den 9. September 2001 durchleben muss. 70 Jahre, vier Kontinente und zahlreiche Stationen durchwandert der Leser in diesem Buch, das lediglich einen Ausschnitt des "normalen" Lebens präsentiert - gefüllt mit den Gefühlen, Erinnerungen und Gedanken Updikes, der hiermit einen würdevollen Abgang von der Literaturbühne hinlegt.
Zehn Jahre und sicherlich auch einige Tränen seitens des Autors hat es gebraucht, bis John Updike "Die Tränen meines Vaters" vollenden konnte. Das Ergebnis ist ein phänomenaler Erzählband, der trotz seiner Sprachgewalt Platz für Feinsinnigkeiten und leise Zwischentöne lässt. Der US-amerikanische Autor ist eine Stimme des Volkes, die mit ihren Geschichten das zu Gehör bringt, was jeden von uns bewegt - und all dies mit einer Wucht, die in aller gediegener Stille daherkommt und deswegen auch die Herzen der Leser zu rühren vermag. "Die Tränen meines Vaters" ist eine geradezu geniale Komposition der Worte, die in ihrem perfekten Zusammenspiel für grandiose Unterhaltung sorgen.
Susann Fleischer
07.03.2011