Erzählbände & Kurzprosa

Scheherazade kann einpacken , hier kommt Osman Engin

Osman Engin, reife 50 Lenze z?hlend, bleibt wirklich nichts erspart. Zuerst findet er eine Leiche und wird wegen Mordverdacht f?r zwei Tage in Untersuchungshaft verfrachtet. Und nun scheint es auch noch beschlossene Sache zu sein, dass er aufgrund des Sommerlochs seinen liebgewonnenen Knochenjob in der Halle 4 verlieren wird. Sein Meister Viehtreiber nennt die jedes Jahr im Juni ausgeh?ndigten K?ndigungen liebevoll "Fr?hjahrsputz" und nun hat es offenbar auch Osman erwischt. Fast hat er sich schon mit seinem Schicksal abgefunden, da ereilt ihn, was man die Definition von Gl?ck in Ungl?ck nennen k?nnte. Herr Viehtreiber erweist sich als geradezu gierig nach Geschichten aller Art und vergisst hier?ber sogar Osmans K?ndigung - also wird er auch eine gute Mordstory mit Sicherheit nicht ausschlagen k?nnen. 

Engin mutiert zu einer Art moderner (m?nnlicher) Scheherazade, mit dem kleinen Unterschied, dass nicht Osmans Leben auf dem Spiel steht, sondern "nur" sein Job. 1001 Erz?hlsessions wird er (voraussichtlich) nicht durchstehen m?ssen. Denn nachdem Osman 20 weitere Arbeitstage durchgehalten hat, folgen vier Wochen Betriebsferien. Und danach gilt die Zeit der Sommerflaute als offiziell beendet. Kurzum: 20 Nachtschichten lang muss Engin Herrn Viehtreiber mit unterhaltsamem Material versorgen, denn danach kann er ihn nicht mehr ruhigen Gewissens entlassen. 

Die ersten Story-Sessions gestalten sich noch denkbar einfach, denn schlie?lich muss Osman nur berichten, was er vor wenigen Tagen am Tatort - der Wohnung seines Freunds Klaus in Frankfurt - vorgefunden hat. Doch nach einer Weile zeichnet sich eines ab: Wenn er wirklich ?ber genug Material f?r 20 Nachtschichten verf?gen will, muss er gezwungenerma?en selbst ermitteln ... 

Der t?rkischst?mmige deutsche Satiriker Osman Engin schickt sich mit "1001 Nachtschichten" an, einen der fr?hesten literarischen Klassiker so zu persiflieren, dass kein Auge trocken bleibt. Dass Engin gerne mit grotesk ?berzogenen Klischees arbeitet, ist bekannt und auch hier entsteht ein Gro?teil der Komik nicht nur durch die absurde Pr?misse, sondern auch dadurch, dass sowohl der deutschen als auch der t?rkischen Kultur humorvoll der Spiegel vorgehalten wird. 

Osmans Erz?hlsessions entwickeln sich zum Gemeinschaftsprojekt der gesamten Familie Engin und lassen so tief in die Familiendynamik zwischen Osman, seiner Frau Eminanim und seiner Tochter Hatice blicken. Und selbstverst?ndlich kommen auch seine deutschen Nachbarn und Freunde nicht besser weg, ob sie nun Kuckuck oder Prizibilsky hei?en. Denn eins ist klar: Vor Osman Engins gleichzeitig spitzb?bischem wie tiefgr?ndigem Spott ist nichts sicher. Doch auch wer sich nicht explizit als Satire-Fan bezeichnet, sondern einfach nur gut und humorvoll unterhalten sein m?chte, ist bei "1001 Nachtschichten" auf jeden Fall an der richtigen Adresse und sollte sofort zum n?chsten Buchladen laufen. Ein von Anfang bis Ende lachmuskelersch?tternder Lesespa?, bei dem auch Krimi-Hasser absolut auf ihre Kosten kommen werden. 

Johannes Schaack 
14.02.2011

 
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Das Buch:

Osman Engin: 1001 Nachtschichten. Mordstorys vom Fließband

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München: dtv 2010
255 S., € 8,95
ISBN: 978-3-423-21251-9

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