Erzählbände & Kurzprosa
Das Geheimnis seines Misserfolgs
Um das Ansehen des Lebensraums Büro könnte es bekanntlich durchaus besser stehen. Die meisten von uns assoziieren den Ort der Arbeit bekanntermaßen mit lästigen Pflichten und fader Schreibtischmonotonie. Dass man im Büro auch unvergleichlichen Nervenkitzel erleben kann, wissen wohl nur Eingeweihte, zu denen offensichtlich auch der deutsche Autor Lutz Schumacher gehört. Doch kann man an morgendlicher Übelkeit, unbarmherzig im Rücken sitzendem Termindruck und haarsträubenden Meetings auch Spaß haben? Mit "Ich kann so nicht arbeiten. Geschichten aus dem Büro" tritt Schumacher den Beweis hierfür an.
Harald Grützner ist vor kurzem vom Außendienst der Firma "Chocolatiers Orphée" in die Marketingabteilung des Mutterkonzerns seines ehemaligen Arbeitsplatzes versetzt worden - und hierüber keinesfalls glücklich. Sein neuer Wirkungsort ist das Megabürogebäude der Global Candy Inc., dessen unglaubliche Größe ihm bereits Unwohlsein bereitet. Dementsprechend geht an seinem ersten Arbeitstag auch alles schief, was nur schief gehen könnte. Kurz nachdem Harald viel zu spät an seinem neuen Arbeitsplatz eintrifft, lernt er seine zukünftigen Kollegen kennen, die sich durch die Bank als bemerkenswert eigenwillig erweisen. Was Harald jedoch am meisten verwundert: Davon, dass er eigentlich als neuer Leiter der "Point of Sale"-Abteilung fungieren sollte, wusste bisher keiner von ihnen etwas. Und als sich Harald endlich einigermaßen akklimatisiert hat, beginnt mit einer verhängnisvollen Entscheidung von oben das wahre Fiasko ...
Wer "Ich kann so nicht arbeiten. Geschichten aus dem Büro" zum ersten Mal in die Hand nimmt, wird möglicherweise eine Art nicht ganz ernstzunehmenden Büroratgeber erwartet haben. Dass sich das Buch als durchgehende Erzählung entpuppt, wird daher so manchen durchaus überraschen. Und nicht nur das: Das Feuerwerk an Witz, das Lutz Schumacher hier abbrennt, wird ebenso mit Sicherheit viele Leser unvorbereitet treffen. Fast möchte man mit dem unglücklichen Harald abgrundtiefes Mitleid empfinden. Die Welt aus Schwierigkeiten, Erniedrigungen und Enttäuschungen, in die er mit seiner Versetzung eintritt, erweisen sich allerdings hierfür als viel zu lachmuskelstimulierend und unterhaltsam.
Zudem mögen die Absurditäten, die Haralds neuer Arbeitsplatz mit sich bringen, zwar leicht überspitzt wirken, doch im Grunde dürften viele von ihnen so manchem "Schreibtischtäter" bekannt vorkommen. Schön nur, dass nun jemand anderes mit besagten Schwierigkeiten zu kämpfen hat und nicht der geneigte Leser. Schadenfreude ist bekanntlich die schönste Freude und ganz besonders, wenn man ihr ganz ohne schlechtes Gewissen frönen kann. Wer hätte gedacht, dass bürokratische Absurditäten, bizarre IT-Pannen und oberpeinliche Betriebsfeiern so viel Lesespaß bereiten können? Wer hier noch zweifelt, der sollte sich Harald Grützners Anti-Erfolgsstory erst recht zur Brust nehmen und sich darauf einstellen, durchaus angenehm überrascht zu werden. Ein fulminanter Lesespaß mit absoluter Lachsalvengarantie, an dem auch die weltgrößten Büromuffel ihren Spaß haben werden.
Johannes Schaack
20.12.2010