Erzählbände & Kurzprosa

Bäume im Wandel der Zeit

Roger Kaysel hat mit seinem literarischen Arboretum ein Werk geschaffen, welches geprägt ist von der Liebe zu den Bäumen, von Dankbarkeit ihnen gegenüber, aber auch von Verantwortung gegenüber Bäumen, die es gilt, zum Ausdruck zu bringen. Genau das schafft der Autor auf eine wunderbare Weise.

Wie eine Reise durch die Welt der Bäume ist dieses Buch: Es beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod. Das Tor zu Welt, die Lebensbäume. Mit dem letzten Tag im Jahr verbindet sich das Bedürfnis nach Rückblick. Es sind keine weltgeschichtlichen Betrachtungen, keine scharfsinnigen Analysen, es sind Gedanken, die durch den eigenen Lebensbaum klettern und geeignete Äste suchen, um persönliche Erinnerungen daran aufzuhängen. Bäume als stumme oder anteilhabende Wegbegleiter. Bäume als Zuhörer, als Spielkameraden, als Freunde, als nützliche Objekte und nicht zuletzt als Zeitzeugen der vergänglichen Jugend. Der Baum wird benutzt. Seine Äste heizen ein, sein Stamm spendet Mobiliar und Spielzeug. Tiere hingegen benutzen einen Baum respektvoller, ohne ihm Schaden zuzufügen, und mit dem Wissen, ihn dringend zu brauchen. Der Mensch fällt, pflanzt neu und glaubt, damit dem Nehmen und Geben gerecht geworden zu sein. Sehr aussagekräftig auch die Stammbäume. Irgendwo stehen drei Eichen, die den ewigen Kreislauf versinnbildlichen. Eine in ihrer Blüte stehende Eiche, eine Gefallene und eine Abgestorbene. Werden – Sein – Vergehen.

Dann die Schicksalsbäume. Wunderschön die Geschichte vom Sekretär. Der seltsame Mensch vergräbt Geld, Schmuck und Aktien im Tresor aus Stahl und Metall. Doch seine Herzensangelegenheiten, seine innersten Gefühle, die vertraut er seinem Sekretär an; edles Holz, warm und glänzend. Bei einem Kongress der Bäume zum Thema Waldsterben lernt man jeden einzelnen Baum kennen und der Autor lässt sie sprechen von ihrem Schicksal, ihrer Bestimmung. Beim Thema Weltenbaum gibt es Stadtbäume und Parkbäume. Das Stadtbäumchen steht zwischen Abgasen und von Müll umlagert und wird hier und da Opfer eines Verkehrsunfalls. Da haben es die Parkbäume leichter. Unter ihresgleichen stehen sie geschützt, geliebt und bewacht von aufmerksamen Bürgern.

Schließlich erzählt der Autor eine wunderschöne Geschichte von einem Nussbaum, der alle Zeiten überdauert und schlussendlich trauert. Er hat seinen Platz nie verlassen, hat fleißig gedient im Kreislauf von Mutter Natur. Im Frühjahr hat er ein Kleid anprobiert, im Sommer Früchte getragen und im Herbst hat er das Kleid abgelegt, damit er es nach der Jahreswende wieder erneuern konnte. Von Jahr zu Jahr, Jahrzehnte lang. Aus Pferdefuhrwerken wurden Autos, aus dem Ackerweg eine Hauptverkehrsstraße. Der Nussbaum überdauerte nicht nur diesen Wandel, nein, er bedauert ihn auch, steht er doch nun im Smog und Lärm. Der Baum der Erkenntnis bringt Licht ins Dunkel. Bäume sind Rundumwesen. Verwurzelt in der Erde, strebend gen Himmel. Von allen Seiten zum Licht drängend. Sie schaffen Schatten und spenden Sauerstoff. Und alles endet mit dem Christbaum. Sehnlichst erwartet, an die Geburt Christi erinnernd. Ein üppig geschmückter Baum, der auf die lichte Jahreszeit einstimmen soll.

Viele wundervolle Geschichten hat der Autor komponiert. Sie sind philosophisch, pragmatisch, aber auch feinsinnig und unterhaltsam, mitunter sogar humorvoll. Sie alle zeigen, dass Bäume weit mehr als nur stumme Randfiguren sind. Erst diese unterschiedlichsten Betrachtungen machen einem die Tragweite dieses Arboretums bewusst.

Tanja Küsters
15.06.2009

 
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Das Buch:

Roger Kaysel: Arboretum ... Bäume tragen den Himmel. Erzählungen

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2008
329 S., € 16,40
ISBN: 978-3-8372-0245-8

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