Erzählbände & Kurzprosa

Eine "Autobiografie" aus der Hundeperspektive

Jagos "Autobiografie" aus der Hundeperspektive operiert auf zwei Ebenen. Auf den ersten Blick wird hier die lustige Geschichte eines Terriers vom niedlichen Welpen bis hin zum jugendlichen Jagdhund erzählt. Dabei durchläuft Jago - so wie der Mensch - mehrere "Stationen", um schließlich zur "Reife" zu gelangen, was zum Beispiel auch bedeutet, die eigenen Instinkte und (Jagd-)Triebe im Griff zu haben, wobei der regelmäßige Besuch in der Hundeschule grundlegend ist (auch hier zeigt sich wiederum eine treffende Parallele zum Menschen).

Natürlich - wie könnte es anders sein? - hat Jago ebenfalls eine sogenannte "allerbeste Freundin": die Nachbarskatze Lissi (die Erotik wird hier zwar nicht direkt thematisiert, potenziell aber auch nicht ausgeschlossen). Die Freundschaft zwischen Jago und Lissi entwickelt sich nach einem ersten zarten Annäherungsversuch Schritt für Schritt (wobei Jago, also der "Mann", die Initiative ergreift) und intensiviert sich mit der Zeit immer mehr - so sehr, dass die beiden am Ende dieses drolligen Romans gar als "unzertrennlich" gelten, sodass das Herz des Lesers nur so dahinschmilzt!

Blickt man etwas tiefer, lassen sich nicht nur zahlreiche Parallelen zum Menschen erkennen, die einen wiederholt schmunzeln lassen, sondern es werden überdies tiefergehende Bedürfnisse von Mensch und Tier sichtbar, wie beispielsweise das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach Geborgenheit, nach Ausgeglichenheit, nach Liebe und Zuwendung sowie nach seelischer und körperlicher Wärme. Bereits Maslow mit seiner berühmten Bedürfnispyramide und nach ihm viele weitere Experten sind sich einig, dass beim Menschen neben den rein physischen Bedürfnissen wie Trinken, Essen, Bewegung und Sex unabdingbar auch weitere Bedürfnisse gestillt werden wollen, ja werden müssen, um sich gesund entwickeln zu können.

Der Terrier-Hund Jago fungiert hier jedoch nicht lediglich als "Medium" zum Ausdruck dessen, was Menschen brauchen; auch Tiere benötigen viel Zuwendung und mitunter auch ein gewisses Maß an Streicheleinheiten oder zumindest Berührungen, um eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten. (In diesem Punkt unterscheidet sich der Hunderoman also ganz klar von der klassischen Fabel, in der Tiere als menschliches Sprachrohr dienen.) Dabei heben sich Hunde, die dem Menschen bekanntlich besonders nahestehen, unter den Tieren hierbei besonders hervor.

Dass der Autor die personale Perspektive eines Terriers wählt, um alle diese Botschaften zu transportieren, hat sowohl eine rezeptionsästhetische als auch eine psychologische Wirkung. Die verschiedenen Aussagen aus "Hundemund" lassen den Leser immer wieder schmunzeln und stimmen ihn somit von vornherein "milde". (Betrachtet man übrigens Ursprung und Zweck althergebrachter Fabeln, in denen ausschließlich Tiere sprechen, so kann man feststellen, dass sie als willkommenes oder gar einzig praktikables Medium genutzt wurden, um offiziell "Unaussprechliches" auszusprechen, beispielsweise die Gesellschaft und die Politik betreffend - eine "Schutzmaßnahme" sozusagen.) Das ist heute anders; heutzutage darf (fast) alles gesagt werden (wenngleich nicht unbedingt ohne Konsequenzen).

Machen wir doch mal ein Experiment und schreiben die Geschichte Jagos um, also aus "Menschenperspektive". Würden Sie Jagos Geschichte dann immer noch lesen? Fänden Sie diese nicht auf einmal furchtbar fade, banal oder gar stumpfsinnig? Warum eigentlich? Es wäre doch im Grunde genommen - sinngemäß - der gleiche Plot ... - Eben drum! Es wäre zwar der gleiche, aber nicht derselbe Plot, weil eben aus einer völlig anderen Perspektive niedergeschrieben, sowohl auf Erlebnisebene als auch was die Niederschrift betrifft!

Jagos oftmals unbeholfene und naive Art, Dinge zu benennen und Situationen zu beschreiben, ist zum einen seinen eingeschränkten sprachlichen Fertigkeiten geschuldet, zum anderen seiner arglosen und damit auch seiner unvoreingenommenen Art, an die Dinge heranzugehen - was ihn wiederum ausnehmend sympathisch macht und uns richtiggehend das Herz aufgehen lässt. Würde sich allerdings ein Mensch so geben, dann würde man diesen als äußerst unbedarft oder gar als minderbemittelt bezeichnen. Sympathiepunkte würde diese Person jedenfalls keine bekommen, denn hier ist die "Messlatte" eine ganz andere.

Das ist Ihnen alles zu kompliziert? Dann machen Sie es doch wie Jago: Seien Sie einfach glücklich und zufrieden oder kuscheln Sie eine Runde! Das Leben ist zu kurz, um es nicht zu genießen!

Alexandra Eryigit-Klos 
16.01.2023

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Andreas San: Mein Name ist Hund, Terrier-Hund. Aus der Welt eines Welpen

CMS_IMGTITLE[1]

Offenbach: August von Goethe Literaturverlag 2022 98 S., € 11,80 ISBN: 978-3-8372-2610-2

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.