Erzählbände & Kurzprosa
Als wärs gestern gewesen
"L?mmelgeschichten", so hat Rudy Ernst sein Buch ?berschrieben. Das Werk liegt als rund 300-seitiges Buch vor uns, das Geschichte um Geschichte aneinanderreiht, kurze Berichte ?ber Erlebnisse der Kindheit und Jugend. Diese Berichte kommen so frisch daher, als w?r?s gestern gewesen. Da will ein Autor seine Erlebnisse weitergeben, und das deshalb, weil sie zu seinem Leben geh?ren und sie f?r ihn letztlich auch wichtig sind. Entscheidend f?r ein zufriedenes Leben, so hat es einmal eine erfahrene Frau erkl?rt, sind Erlebnisse in der Jugend, die gut tragen. So etwa k?nnte man die Motivation eines 1937 geborenen Menschen erkl?ren, der in einem einzigen Monat - genauer gesagt zwischen April und Mai 1998 - seinen Gedanken freien Lauf lie?.
Seit 1982 lebt Ernst in New York, aufgewachsen ist er in Flurlingen und Schaffhausen, studiert hat er in Lausanne. Damit ergibt sich eine weite Spanne, biografisch und geografisch. Auf dieser Linie ist er als Autor zur?ckgegangen, um seine "L?mmelgeschichten" aufzuarbeiten. Allen voran steht jene ?ber Schwester Frieda, dieser erste Beitrag dient in kaum getarnter Form als Vorwort. Die Vielfalt ist gro?: Man liest ?ber Rudy Ernsts Lehrer und ?ber die Streiche des Sch?lers, von denen er offenbar nie genug bekommen konnte. Diese pr?sentieren sich wie jungenhafte Ausbr?che aus vorgegebenem Leben, erweisen sich sp?ter aber wohl als Suche des K?nstlers nach Ausdruck und Lebensart.
"Money Money" ist eine harmlose, ?beraus h?bsche Episode, die verr?t, welches Verh?ltnis man damals zum Geld hatte und wie man dar?ber sprach oder eben nicht. Letztlich geht es auch beim Beitrag ?ber das Briefmarken-Sammeln um finanzielle Werte, nicht etwa um Kulturelles und ?hnliches. Wenn Rudy Ernst dar?ber schreibt, flie?t humorvolles Understatement ein. Es macht dann den Eindruck, als m?chte der Autor seinem Nachnamen einen kleinen Streich spielen.
Nicht alle Geschichten spielen in der Kindheit. "Der Herrenausflug" fand 1979 statt. Dieser Text sagt sehr viel aus ?ber das Leben damals und ?ber die Empfindungen, die man bei solchen Erlebnissen haben konnte. Damit wird die Sammlung eine Art Geschichtsdokumentation im Kleinen. Gerade diese Kleinheit macht die Texte sehr menschlich und damit leicht zug?nglich.
Wer mehr erfahren will, kann auf der Website des Autors einiges sehen und lesen. Sehen: Die Kunstwerke, die Rudy Ernst als Maler geschaffen hat. Lesen: Biografisches, Konzeptionelles. Hier die URL: www.rudyernst.com. Eigentlich k?nnte man ebenso gut zuerst diese k?nstlerische Seite wahrnehmen, um dann den Weg in die Jugend zu begehen und von den Jugenderlebnissen her den K?nstler zu interpretieren. ?ber diese Website, die man auf keinen Fall verpassen sollte, kann man auch den direkten Kontakt zum Autor finden.
Ronald Roggen
20.02.2012