Erzählbände & Kurzprosa
Natur und Mythos
"Diktynna" ist ein Literaturprojekt bislang versprengter Einzelkämpfer, es ist der Versuch eines neuen Umgangs mit Literatur und auch eines neuen Widerstandes. Freien Geistes haben sich die Autoren an das Schreiben ihrer Beiträge gemacht, ohne das Gesamtprojekt schon vor Augen zu haben und sich davon beeinflussen zu lassen. Freies Denken und Empfinden haben die Texte geformt und eine unverkrampfte Bestandsaufnahme zu Tage gebracht.
Der Abschnitt "Nordlandnotizen" zeigt, wie Konsumabstinenz und Bequemlichkeitseinschränkung Spuren hinterlassen: Eine veränderte Wahrnehmung, geschärfte Sinne, starke Reaktionen auf geringe Reize. Eine Sinnerweiterung die das Wesentliche hervorbringt! Der Wald in der Mythologie und im Christentum zeigt uns, was "Wald" überhaupt ist, war und bedeutet (hat). Warum er eine mythisch-anziehende Welt und gleichzeitig feindliches Gebiet ist. Auch die verschiedenen Waldbewohner werden dem Rezipienten nahegebracht, sowohl Jäger, als auch Gejagte. Der Baum als Symbol wird ebenfalls erörtert.
"Afrika. Ein Reisebericht" ist ein Abschnitt, der zu Diskussionen geführt hat. Und das wegen eines einzigen Wortes, welches zeigt, dass eben nicht die Sprache Verursacherin sozialer Spannungen ist, sondern nur allzu gern als Ablenkungsmanöver genutzt wird. Ein interessanter Bericht, turbulent, erfahrungs- und erkenntnisreich zugleich. Eine Reise unter der Sonne Afrikas, voller Leben und Atmosphäre.
"Heimat ist ein Paradies" zeigt u. a. die Problematik unserer heutigen Gesellschaft und ihre Moralvorstellungen. Aber auch Hoffnung und Lösungswege, dank Rebellion, Freundschaft und Zusammenhalt. Traurig, trostlos, aber realistisch macht der Autor dem Leser klar, dass wir die Welt und deren Menschen nicht mit dem Herzen messen, sondern mit der Kraft des Intellekts. Nach diesen zwei Kapiteln möchte man das ganze Buch dazu lesen.
"Schnee mit Blättern drunter" beginnt wortspielerisch, poetisch und vermag sich sprachlich noch zu steigern. Eine ungeheure Anziehungskraft geht von diesem Text aus, seinem Dichter und dessen Worten. Er erzählt vom Alltag, von Menschen, die auf alles eine Antwort zu haben scheinen, von Fehltritten und dem Altwerden. Jeder Buchstabe der aneinandergereiht wird, schafft literarische Stimmung auf höchstem Niveau und lässt den Leser fast in den Zeilen ertrinken!
Und so reiht sich eine Dichtung an die andere. Die verschiedensten Texte der verschiedensten Autoren wirken zuweilen unausgeglichen. Doch in Wahrheit zeigen sie die Vielfalt einer schier unerschöpflichen, literarischen Quelle, die es weiß aufzuklären, wachzurütteln, aufzuzeigen. Der Mensch existiert, allen Widrigkeiten zum Trotz, und die Dichter dieses Jahrbuchs sprechen dieser materialisierten, durchrationalisierten, kriegführenden Welt ungebrochenen Lebensmut zu. Die alltägliche Schöpfung geht unaufhaltsam weiter. Und trotz aller Umstände, die diesen Planeten einholen, eingeholt haben, erstrahlt er dank einer wunderschönen Flora und Fauna und der auf ihm lebenden Völker. Und genau das interpretieren die Autoren dieser Literatursammlung.
Da dieses Jahrbuch auch als eine Brücke zur Vorkriegsgeneration verstanden wird, ist es umso trauriger, dass einige Autoren die Veröffentlichung nicht mehr erleben konnten. Dass sie ihre Zeit auf Erden jedoch so nutzen konnten, das macht diesen Band umso wertvoller. Wertvoll für alle Literaturinteressierten und ganz besonders für Menschen mit göttlichem Verständnis, dem Hang und Sinn zur Natur, dem Ursprünglichen, einer entmaterialisierten Wahrnehmung. Auch für mehrere Schulstunden wäre dieses Jahrbuch aufklärend, aufzeigend und literarisch wertvoll, weil es sich dichtend dem Menschen und der Zivilisation, in der sie Leben, annähert.
Tanja Küsters
20.04.2009