Wissenschaften

Bedeutung der Genetik für die Intelligenz

Vor zwei Jahren sorgte Thilo Sarrazin mit seinem politisch-gesellschaftskritischen Buch "Deutschland schafft sich ab" und seiner These, dass einige ethnische Gruppen aufgrund ihrer genetischen Anlagen weniger intelligent seien als andere, f?r Aufruhr. F?r den bekannten Wissenschaftsjournalisten und langj?hrigen Feuilletonchef der ZEIT Dieter E. Zimmer war dies ein Anlass, die aktuellen Forschungsergebnisse und die Geschichte der Intelligenz- und Hirnforschung zusammenzutragen und in einem Buch mit dem Titel "Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung" seine Sicht und seine Thesen darzustellen.

Gleich zu Beginn wird deutlich, dass Zimmer die Frage, die der Titel seines Buches aufwirft, im Gro?en und Ganzen mit einem klaren Ja beantworten w?rde. Einschr?nkungen und leichte Abschw?chungen kristallisieren sich im Laufe des Buches heraus, so dass Zimmer zwar Partei ergreift f?r die Wissenschaftler, die eine genetische - und nicht etwa kulturelle - Ursache in der Entwicklung von Intelligenz sehen. Er schw?cht diese Aussage jedoch dahingehend ab, dass die Gene keinen festen IQ-Wert bestimmen, wohl aber ein Potenzial, das man verk?mmern lassen oder aber voll aussch?pfen kann. Somit k?nnten Umwelteinfl?sse, sprich das famili?re und kulturelle Umfeld und die F?rderung als Kind usw., etwa 10 bis 20 IQ-Punkte ausmachen.

Zimmer st?tzt sich bei seiner Behauptung, 75 Prozent der Intelligenz eines Menschen sei genetisch festgelegt, auf die Zwillingsforschung - das sogenannte "Minnesota Twin Project", bei dem seit ?ber 30 Jahren eineiige Zwillinge, die bei der Geburt getrennt und in unterschiedlichen sozialen Verh?ltnissen aufgewachsen sind, als Erwachsene befragt und untersucht werden. Neben der Zwillingsforschung besch?ftigt sich Zimmer auch mit der Geschichte des IQ-Tests, den er - ob von Wissenschaftlern und P?dagogen verdammt oder nicht - als ein unverzichtbares Diagnose- und Forschungswerkzeug bezeichnet und verteidigt.

Egal, ob man nun pro oder contra Sarrazin ist, in Zimmers Buch finden beide Lager Best?tigung. Obwohl Zimmer keine Stellung dazu bezieht, ob "Rasse" und Intelligenz korrelieren - er begn?gt sich hierbei mit der Anh?ufung von wissenschaftlichen Zitaten -, so widerspricht er Sarrazin jedoch in einer Hinsicht: Deutschland schafft sich nur dann ab, wenn Migration verhindert wird. Diese Schlussfolgerung zieht Zimmer aus einer Beobachtung, die in den 1950er Jahren in Bergd?rfern im Tessin gemacht wurde. Dort wurden die Menschen entgegen dem allgemeinen Trend nicht mit jeder Generation immer gr??er. Sie blieben gleich klein, da sie nur untereinander heirateten. Das bedeutet, dass Entwicklung - m?glicherweise auch die der Intelligenz - nur bei genetischer Vielfalt vonstatten gehen kann.

Dieter E. Zimmer gibt in seinem Buch "Ist Intelligenz erblich?" einen ?berblick ?ber den Stand der Forschung, was den Zusammenhang von Genetik und Intelligenz betrifft, und bleibt dabei nicht nur an der Oberfl?che - ein gewisses Verst?ndnis f?r Statistiken und deren Auswertung sind bei der Lekt?re von Vorteil. Deutsche Aufs?tze und Abhandlungen auf diesem Gebiet sind rar ges?t. Viele deutsche Psychologen und Genetiker haben sich aus dieser Diskussion ausgeklinkt und die Forschung haupts?chlich Amerikanern ?berlassen. Umso willkommener ist eine Zusammenfassung und Gegen?berstellung, wie sie Dieter E. Zimmer hiermit dem deutschen Markt liefert.

Sabine Mahnel
13.02.2012

 
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Das Buch:

Dieter E. Zimmer: Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung

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Reinbek: Rowohlt Verlag 2012
316 S., € 19,95
ISBN: 978-3-498-07667-2

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