Wissenschaften
Die Konstruktion des modernen Körpers
Das Fett muss abgesaugt, die Muskeln aufgebaut, das Haar gekräftigt, das Herz-Kreislaufsystem stabilisiert, die Akkus aufgeladen werden - Wartungs- und Reparaturarbeiten eben.
Die Metapher vom Körper als Maschine bestimmt unser Verhältnis zur eigenen Physis. Diese Art, über den Körper zu sprechen, ist nicht nur in der Folge einer Philosophie Descartes’ zu sehen. Sie ist auch das Produkt, so die These von Philipp Sarasin, eines Gesellschaftsdiskurses zur Hygiene im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert.
In der Tradition Michel Foucaults fragt die Diskursgeschichte danach, wann und wie über bestimmte Verhaltensweisen und Praktiken geredet wird. Die Art und Weise des Sprechens verweist auf die zugrundeliegenden Auffassungen und subjektiven Theorien der Diskursteilnehmer.
Philipp Sarasin exemplifiziert am Begriff der Hygiene, wie der Körper und Gesundheit/Krankheit im Spannungsfeld zwischen Disziplinierung und Exzess "konstruiert" werden. Er zeigt, dass der Begriff der Hygiene im neunzehnten Jahrhundert nicht nur keimfreie Sauberkeit meinte, sondern sich eine – teilweise widersprüchliche – Vielfalt von Verständnisweisen offenbart. Die gemeinsame Klammer dieser Verständnisweisen basiert auf dem antiken Vorbild der Diätetik und war von der "Sorge um sich" bestimmt. Zentrales Moment dieses Diskurses war die Gedanke "Wer seinen Körper beherrscht, beherrscht sich selbst". Hier erst entsteht die moderne Vorstellung der individuellen Verfügbarkeit, Regulierbarkeit und Kontrollierbarkeit des eigenen Körpers sowie von Gesundheit/Krankheit.
Philipp Sarasin, inzwischen Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich, legt mit seiner Habilitationsschrift eine lesenswerte Monografie im Geiste Michel Foucaults vor. Wen die Konstruktion der "modernen" Auffassungen vom eigenen Körper, von Gesundheit und Krankheit, von Sauberkeit, Athletik, Sexualität und Geschlecht interessieren, wird den historiografischen Zugang von Sarasin mit einigem Gewinn lesen.
sic
16.03.2002