Wissenschaften

Eine Reise voller spannender Abenteuer

1994 starb der niederländische Pharmazeut Willem Frans Daems, dessen besonderes Forschungsinteresse der Medizin- und Pharmaziegeschichte gegolten hatte. Vor allem die Paracelsusforschung faszinierte Daems und so kam er auf Einladung der Medizinischen Sektion am Goetheanum zu einer Forschungsgruppe, die sich mit der Weiterentwicklung der von Rudolf Steiner angeregten neuen Medikamente befasste. Eindrucksvolle Vorträge, die Daems zur Medizin- und Pharmaziegeschichte hielt, wollte er zu einem Band zusammenstellen, doch der Tod vereitelte dieses Vorhaben. Geertruida W. Daems nahm die Arbeit auf sich, aus Tonbandmitschnitten und Aufzeichnungen ihres Mannes das geplante Buch fertig zu stellen.

Streifzüge ist ein zu geringes Wort für das vorgelegte Werk: Es ist eine Reise voller spannender Abenteuer durch die Geschichte der Medizin und Pharmazie, ein Stammbaum bedeutender Mediziner, ein tiefgründiger Abriss über Pflanzen und dazu ein Sammelsurium sorgfältigst zusammengetragener Zitate, Hinweise und, quasi zur Abrundung, versehen mit einprägsamen Abbildungen aus der Geschichte der Medizin.

Neun Großkapitel umfasst die faszinierende Reise durch die Zeit: Von Apollon bis Hippokrates, Von Galen bis Avicenna, Paracelsus und Hahnemann, Paracelsus und Rudolf Steiner, Paracelsus’ Lehre der "Drei Essentien", Aspekte der antiken Medizin und das anthroposophische Menschenbild, Heilpflanzenkunde in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Die anthroposophisch orientierte Medizin und als kleines Kapitel "Die Mistel in der Krebsbehandlung". Ein umfangreicher textkritischer Anhang folgt, dazu eine Auflistung aller Literaturstellen, in denen Rudolf Steiner auf Paracelsus eingeht.

Wer sich für Medizingeschichte und Heilpflanzen interessiert, wird mit diesem Buch ein Werk an die Hand bekommen, das ihn weit zurück in die Vergangenheit, bis hin zu den tiefsten Wurzeln (natürlich auch der realen Wurzeln!) des Menschseins führt, durch das Mittelalter begleitet und aufzeigt, was die anthroposophisch orientierte Medizin, die auf der sogenannten Schulmedizin fußt, erweiternd zur Menschenkunde beiträgt. Der Wechsel zwischen historischen Tatsachen, zahlreichen Zitaten, Abbildungen und Skizzen macht das Buch lebendig von der ersten Seite an. Wenn man anfängt zu lesen, fühlt man sich wie in das Buch hineingezogen – man inspiziert die hohe Kunst der ägyptischen Ärzte, wandert mit dem Autor unter der heißen Sonne Griechenlands und besucht die berühmten Medizinschulen, entdeckt Hildegard von Bingen wieder und erlebt, wie sich die Medizin mit dem Menschenbild wandelt bis hin zum mechanistischen Bild, das im gesunden Menschen die Summe funktionierender Einzelteile sieht, die man im Krankheitsfall quasi "reparieren" kann, damit die Maschine wieder gut läuft.

Daems erzählt spannend, man spürt dem Buch die Begeisterung des Autors für das Thema an und das reißt mit. Die sorgsame Bearbeitung, die ausgewogene Betrachtung, die genauen Recherchen belegen, dass sich Daems in der Materie bestens auskennt. Daems, von der Idee einer Heilkunst beseelt, die die Gesundheitskräfte im Menschen anregen möchte und durch die Aktivierung der Selbsthilfekräfte des Körpers zur Gesundung oder Genesung des Menschen verhilft, schafft die Verbindung der Ideen und des Geistes von Paracelsus mit der heutigen Pharmazie. Steiners Satz über Paracelsus, der uns "heute noch Leuchte und Lehrer sein" kann, steht wie ein Leitmotiv über dem Buch. Intensiv geht Daems auf das Maß des Menschen, den Gedanken der Heilmittelfindung und die Beziehungen des Menschen zur Natur ein. Der Mensch steht in der Mitte zwischen Himmel und Erde (oder, wie Paracelsus formulierte: "Himmel und Erde schaffen den Menschen"), Ziel der Heilmittel ist also, dem Menschen die Mitte wieder zu geben, ein Instrument, das in der Mitte heilt.

Ausgehend von der Frage "Wie ist nun die Medizin entstanden?" reist der Leser mit Daems durch Zeit und Raum, sieht sich den Menschheitsfragen gegenüber und am Ende bleibt jedem Leser die Entscheidung, welches Menschenbild er in sich trägt, wie er sich in die Welt gestellt sieht und mit welchen Mitteln er zu seiner Mitte finden möchte.

csc
22.01.2002

 
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Das Buch:

Willem F. Daems: Streifzüge durch die Medizin- und Pharmageschichte (Reihe Persephone)

CMS_IMGTITLE[1]

Dornach: Verlag am Goetheanum 2002
302.S
ISBN: 3-7235-1129-5

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