Wissenschaften

Von der Kunst des Briefeschreibens

In den Zeiten von E-Mail und SMS ist der Brief als Medium der Korrespondenz fast schon in Vergessenheit und beinahe aus der Mode geraten. Gerade mal bei altmodischen Romantikern gilt er vielleicht noch als originell. Dass das einmal ganz anders war, demonstriert Carmen Furger mit ihrem Sachbuch zum Thema "Briefsteller", mit dem sie das Medium Brief im 17. und 18. Jahrhundert n?her beleuchtet.

An den Beginn ihrer Untersuchungen stellt die Autorin einen kurzen ?berblick ?ber das Genre, in dem erkl?rt wird, dass mit dem Begriff Briefsteller zun?chst ein professioneller Auftragsschreiber gemeint war, ehe er zur Gattungsbezeichnung f?r Brieflehrb?cher herangezogen wurde, von denen zwischen 1474 und 1800 etwa 250 unterschiedliche Exemplare in verschiedenen Auflagenst?rken den Markt regelrecht ?berfluteten. Sie bestanden aus einem theoretischen Teil, dem zumeist eine Sammlung von Musterbriefen f?r die unterschiedlichsten Anl?sse folgte.

Im ersten Hauptkapitel geht Furger ?beraus detailreich auf Thesen, Zug?nge und ihre Materialbasis ein. Auff?llig ist dabei ihr wohltuend kritischer Umgang mit der Sekund?rliteratur, die sie zitiert, und der umfangreiche ?berblick ?ber die Forschungsliteratur, die zur Erarbeitung des Briefs bzw. der Briefsteller als bedeutender Informationsquelle f?r die kulturgeschichtliche Forschung existiert. Zu bekannten Namen von Briefstellerautoren wie etwa Harsd?rffer, Weise, Bohse, Hunold und Gellert liefert die Autorin bemerkenswerte Aspekte zu deren Hintergrund und Herkunft.

Der zweite Abschnitt widmet sich dann folgerichtig dem Briefschreiben als kultureller Praxis, wobei hier mit Hilfe von ?u?erst anschaulichem Bildmaterial gro?er Wert auf die Briefbef?rderung, die Funktion und Bedeutung des Briefschreibens und dessen Voraussetzungen sowie auf den Adressatenkreis der Briefsteller und deren Bedeutung als Lehr- und Benimmb?cher, Erziehungsschriften und Unterhaltungsliteratur gelegt wird. Im Anschluss daran wirft das dritte Kapitel einen informativen Blick auf das von der starren Formalit?t der St?ndeklausel gepr?gte Briefzeremoniell des Barock und die formalen Eigenschaften des Briefs zu jener Zeit.

Das vierte Kapitel befasst sich schlie?lich mit Brieftheorie und Stilprinzipien. Es beschreibt den Weg vom ?ffentlichen Schreiben zum privaten Brief, stellt Briefsorten und Schreibanl?sse vor und er?rtert das an der Rhetorik orientierte Dispositionsschema, welchem der Briefschreiber zu folgen hatte. Zu guter Letzt begibt sich Carmen Furger auf die Spuren der Emotionalit?t in der Fr?hen Neuzeit und er?ffnet damit einen neuen Forschungsansatz f?r das von ihr untersuchte Thema.

Vorliegendes Sachbuch ist eine fundierte wissenschaftliche Arbeit zu einem ?u?erst interessanten Thema, das einen umfangreichen ?berblick ?ber eine der wichtigsten Quellen f?r die historische Forschung gibt. F?r Studenten sozialgeschichtlicher F?cher ist diese Abhandlung ?beraus empfehlenswert, vor allem weil Carmen Furger ihre wesentlichen wohl?berlegten Thesen am Ende eines jeden Kapitels noch einmal kurz, pr?zise und pr?gnant zusammengefasst hat. Ein kleiner Wermutstropfen tr?bt dieses gelungene St?ck Forschungsliteratur allerdings ein wenig: So hat sich bei der Herstellung ein Teil des Anhangs ungl?cklicherweise mitten in das letzte Kapitel verirrt ? ein kleiner Lapsus der sich bei der n?chsten Auflage sicherlich leicht korrigieren lassen wird.

Christian G?tz 
28.06.2010

 
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Das Buch:

Carmen Furger: Briefsteller. Das Medium "Brief" im 17. und frühen 18. Jahrhundert

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Köln u. a.: Böhlau Verlag 2010
233 S., € 34,90
ISBN: 978-3-412-20420-4

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