Wissenschaften

Exklusive Reisen ins Paradies für Couch-Potatoes

An einem besonders stressigen Tag auf der Arbeit kann es schon mal vorkommen, dass man abends auf dem Sofa liegt und sich auf eine einsame Insel wünscht. Niemand käme zu einem gerannt, um ständig mit irgendwelchen Fragen zu nerven oder Entscheidungen zu verlangen. Die Auswahl an abgelegenen Inseln ist schier unendlich, sodass jeder sein Paradies findet, wenn er nur lange genug danach sucht. Dass das Paradies aber auch schnell zur Hölle werden kann, davon berichtet Judith Schalansky im "Atlas der abgelegenen Inseln".

Fünfzig Inseln hat sich die Autorin vorgenommen, von der jede für sich etwas Besonderes ist, meist eine ungewöhnliche Geschichte hat. Egal ob im Atlantik oder Pazifik, in der Karibik oder in den Polarmeeren, überall kann man sein persönliches Fleckchen Himmel finden. Dabei ist es nicht von entscheidender Bedeutung, ob sich die Größe auf spärliche 0,8 (Tromelin) oder imposante 297 Quadratkilometer (Rudolf-Insel) erstreckt - jede Insel lohnt eine Erforschung. Weil auf gängigen Weltkarten insbesondere die kleinen Eilande vergebens gesucht werden, ist es umso erfreulicher, dass sich die Autorin in diesem Buch in erster Linie auf die eher unbekannten Paradiese konzentriert hat. Die großen sind auf den 144 Seiten eher spärlich gesät. Schließlich kennt man die meisten schon.

Schalansky geht dabei so systemisch vor wie bei einer wissenschaftlichen Abhandlung: Die Einteilung der Inseln erfolgt nach den fünf Weltmeeren (Arktischer, Atlantischer, Indischer, Pazifischer und Antarktischer Ozean), wobei man langsam mit dem Finger auf der Karte von Norden nach Süden entlanggleitet, um nur keine Insel zu verpassen. Der Aufbau der Seiten geschieht stets nach dem gleichen Prinzip: Pro Insel sind zwei Seiten vorgesehen - rechts deren graphische Darstellung, links informative Details zu Größe, Entfernung zu anderen Orten und eine Zeittafel mit Besonderheiten zur Inselgeschichte.

Das vorliegende Buch ist keinesfalls eine reine Faktensammlung, wie man nun annehmen könnte, sondern eine bezaubernde Darstellung teils amüsanter, teils skurriler und manchmal auch grausamer Geschichten, die jeden mit sich fortreißen. Scharansky erzählt von aufsehenerregenden Expeditionen mutiger Pioniere, von unheimlichen Epidemien, die ganze Orte auslöschten, und von traurigen Robinsonaden. Spätestens an diesem Punkt entfernt sich die Autorin von 08/15-Atlanten, hin zu prosaischen Texten, die berühren, fesseln und manchmal sogar schockieren. Sie erinnern an fließende Novellen, die Fantasien beflügeln und in Traumwelten entführen.

Judith Schalansky erhielt für "Atlas der abgelegenen Inseln" den 1. Preis der Stiftung Buchkunst für das schönste deutsche Buch 2009. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das Farbkonzept aus hellblau und orange erinnert an geheimnisvolle, tiefe Gewässer und einzigartige Sonnenuntergänge, wie man sie nur im Paradies erleben kann. Trotz des Anspruchs an Wissenschaftlichkeit ist dem Buch ein hoher belletristischer Wert anzurechnen, wie man ihn sich auch bei anderen Büchern wünschen würde. Schalansky tritt den Beweis dafür an, dass Wissen nicht nur schlau, sondern auch Spaß macht.

Susann Fleischer
15.02.2010

 
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Das Buch:

Judith Schalansky: Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde

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Hamburg: mareverlag 2009
144 S., € 34,00
ISBN: 978-3-86648-117-6

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