Wissenschaften

Germanistik für Anfänger

Sprachen unterliegen einem ständigen Wandel. Fremde Wörter dringen in den Wortschatz ein, während andere Wörter ungebräuchlich werden und veralten. Aber nicht nur der Wortschatz verändert sich, auch innerhalb der Wortarten geschehen Umgestaltungen. So kann ein ehemals starkes Verb im Laufe vieler, vieler Jahre zum schwachen Verb werden - man denke nur an "backen" (backte vs. buk). Die Veränderungen fallen innerhalb einer Sprachperiode nicht so sehr ins Auge, sodass man annehmen könnte, dass eine Sprache kaum Veränderungen unterliegt. Wenn man aber eine Sprache von ihren Anfängen bis zur heutigen Sprachstufe verfolgt, wird deutlich, dass Sprachen sich sehr wohl im Laufe der Jahrhunderte wandeln. Die historische Sprachgeschichte beschäftigt sich tiefergehend mit diesem Thema. So auch Hans Ulrich Schmid, Professor dieses Faches an der Universität Leipzig, in seinem Band "Einführung in die deutsche Sprachgeschichte".

Das Buch ist grob in fünf Bereiche gegliedert, die sich eingehend mit der deutschen Sprache beschäftigen. Es folgt einer Aufteilung in: Perioden der deutschen Sprachgeschichte, Laut und Schrift, Wortformen, Satzbau und Wortschatz. Schmid legt die Grundlagen, indem er zuerst auf die Sprachgeschichte in einer Art Gesamtübersicht eingeht. So wird deutlich, dass es einst eine Ursprache namens Indogermanisch gab, aus der später nicht nur das Germanische mit dem Deutschen und dem Englischen hervorging, sondern auch andere Sprachfamilien wie die slawischen (z. B. Russisch, Polnisch, Tschechisch), keltischen (z. B. Gälisch, Bretonisch, Walisisch) oder indoiranischen. Unleugbar ist, dass trotz der vielen Sprachunterschiede, welche die einzelnen Sprachfamilien im Laufe ihre Entwicklung erlebten, ein gemeinsamer Kern erhalten geblieben ist, sodass Beziehungen und Verwandtschaften vorhanden sind. In kurzgehaltenen Kapiteln geht Schmid auf Besonderheiten des Deutschen innerhalb dieser Gliederung ein, die er in den Sprachschichten Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Frühneuhochdeutsch sowie im Konterpart Niederdeutsch genauer betrachtet. Dabei bezieht er die kulturellen und literarischen Entwicklungen der Jahrhunderte mit ein, sodass man als Leser einen Gesamtüberblick über die deutsche Sprache und deren Wirken erhält.

Nachdem die Grundlagen gelegt worden sind, behandelt Schmid in den folgenden vier Themenbereichen Details, indem er sich mit den Elementen der deutschen Sprache beschäftigt. Da geht es um den Lautwandel, um die Wortgruppen Verb, Substantiv, Adjektiv, Pronomina und Zahlwörter, um den Satzbau und schließlich um den Wortschatz. Anhand von Beispielen wird dem Leser vorgeführt, wie das Deutsche sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Zudem werden ihm logisch nachvollziehbare Erläuterungen gegeben, die beispielsweise erklären, warum es so viele unterschiedliche Pluralformen im Deutschen gibt und warum "sprechen" ein starkes Verb ist, während "reden" schwach konjugiert wird. Insbesondere das Kapitel über den Wortschatz dürfte sich für den Rezipienten als zugleich spannend und interessant gestalten. Weiß doch kaum jemand, dass Wörter wie "Mauer", "sicher", "kaufen", "Tisch" oder "Handschuh" eigentlich nicht deutschen, sondern fremdländischen Ursprungs sind. Zum Beispiel entlehnten die Deutschen Wörter aus dem Lateinischen, Griechischen, Keltischen und Finnischen.

Hans Ulrich Schmids "Einführung in die deutsche Sprachgeschichte" richtet sich zwar in erster Linie an Germanisten und jene, die einmal welche werden möchten, aber auch interessierten Laien sei dieses Buch ans Herz gelegt. Auf wissenschaftlicher Grundlage erhält der Leser einen detaillierten Einblick in das Wesen der deutschen Sprache. Schmid geht dabei systematisch vom Allgemeinen zum Besonderen und führt den Rezipienten durch eine jahrtausendealte Sprachgeschichte, die ebenso vielschichtig wie kompliziert ist. Und doch gelingt es dem Autor, diese Komplexität aufzulösen und mit zahlreichen begleitenden Beispielen, Textauszügen, Graphiken und Karten einleuchtend zu erklären. Und wem dies nicht ausreichen sollte, der kann im ausführlichen Anhang nach der passenden Sekundärliteratur suchen, um sich noch intensiver mit dem Deutschen zu beschäftigen.

Susann Fleischer
24.08.2009

 
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Das Buch:

Hans Ulrich Schmid: Einführung in die deutsche Sprachgeschichte

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Stuttgart: Metzler Verlag 2009
300 S., € 19,95
ISBN: 978-3-476-02267-7

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