Wissenschaften

Konterfeis von Komponisten

Soll´n sie doch! Soll´n sie doch ins Digitale abdriften die lexikalen Bücher, wo sie jeden Tag aktualisiert werden können. Doch was sollen, wollen Kunstbücher in digitaler Form, im digitalen Format? Ein Buch ist ein visuelles, ein taktilisches Vergnügen. Zumal, wenn das Buch ein künstlerisches Buch ist wie der großformatige Band „Komponistenporträts“ von Dietrich Erben. Die ganzseitig wiedergegebenen Porträts der Komponisten sind Kunstwerke, die schriftliche Konterfeis der Porträtierten wie der Porträtisten begleiten. Zumeist sind die Bildnisse 28 mal 22 Zentimeter groß. Das ist schon was! Im Gegensatz zu dem oft nur daumengroßen Bildteil im Internet.

Bereits beim flüchtigen Durchblättern des Buches begegnet man Bildnissen, die im Gedächtnis zum Bild der Berühmten geworden sind. Noch und noch Wiederbegegnungen. Mit Bach, Beethoven, Paganini, Verdi, Liszt, Tschaikowski, Reger, Richard Strauss....  Und Überraschendes. Selbstporträts von Schönberg, Gershwin, Hindemith, der, mit heiterem Hintersinn, charakterisiert und dabei die Möglichkeiten der Karikatur mit vergnügtem Sinn nutzt. Vielsagend eine Darstellung des Hanns Eisler von Georg Eisler. Die Distanz des Sohnes, Georg, ist in dem nach dem Tode des Vaters, 1963, entstandenen Gemälde, das den Musiker als einen entfernten Fremden zeigt. Etwas Unpersönliches hat auch das Doppelporträt der Lebens- und Arbeitspartner Benjamin Britten und Peter Pears. Sie waren eines der männlichen Beispielpaare des 20. Jahrhunderts. Über Homosexualität von Komponisten zu sprechen, vermeidet Dietrich Erben, wo er es vermeiden kann. Also immer. Ausgenommen Britten/Pears. Die inhaltsreichen Texte des Professors für Kunstgeschichte lesen sich wie fein gefeilte Vorlesungen. Präzise, präzise, präzise. Manchmal auch prätentiös. Ein Gebildeter bildet, ohne mit theoretischen Exkursen zu langweilen. Einmal schweigt Erben. Er lässt Kurt Weill über Lotte Lenja, Lotte Lenja über Kurt Weill reden, die sich in einem Fotoporträt gegenüber sitzen. Auch nicht schlecht, hat doch die Tonart des Autors bisweilen etwas Monotones.

Was Erben an Substanziellem zur Musik, zur Kunst, zu den Biographien der Komponisten wie der Künstler äußert, macht den interessierten Laien klüger und klüger. Die Musik- und Kunstgeschichte, die Wechselwirkungen zwischen Musik und Kunst muss der Verfasser nicht bedeutungsvoll machen. Er betont das Bedeutungsvolle der Beziehungen und hebt es so hervor. So wird die beachtliche wie beachtenswerte Publikation nie beliebig, gar belanglos.

Gemütlich zurückgesetzt und -gelehnt, lassen sich die malerischen, zeichnerischen, plastischen, fotografischen Komponisten-Bildnisse mit Geduld und Genuss betrachten, die durch die Texte von Dietrich Erben nie verdorben werden. Gut, dass sie noch da sind, die Bücher zum Anfassen, Aufschlagen, Ansehen!

Bernd Heimberger
01.12.2008

 
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Das Buch:

Dietrich Erben: Komponistenporträts. Von der Renaissance bis zur Gegenwart.

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Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2008
216 S., 86 Abb., € 49,90
ISBN: 978-3-150-10657-0

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