Wissenschaften

Schlechte Verpackung lenkt vom Inhalt ab

Den Verfall der deutschen Sprache z.B. durch Anglizismen sagen deutsche Sprachpuristen schon seit vielen Jahren voraus. Seit einiger Zeit geht noch ein weiteres Gespenst um, nämlich das der immer schlechter werdenden Rechtschreibung. Fehlerhaft zu schreiben, scheint kein Makel mehr zu sein, sondern mittlerweile fast zum guten Ton zu gehören. Gründe dafür sucht man allgemein in der Digitalisierung und der Allgegenwärtigkeit von schnell getippten Nachrichten und Kommentaren.

Im vergangenen Jahr wollte die Duden-Redaktion diesem Thema mit einer Podiumsdiskussion auf den Grund gehen. Eingeladen waren der Schauspieler Burghart Klaußner, die Grundschullehrerin und Schulentwicklerin Ulrike Holzwarth-Raether und Professor Dr. Peter Gallmann von der Uni Jena. Moderiert wurde die Diskussion von der Leiterin der Duden-Redaktion, Dr. Kathrin Kunkel-Razum.

Wie so häufig ist aber auch bei diesem Thema nicht alles nur schwarz oder weiß, und es gibt nicht nur einen Grund für die in den letzten Jahren immer offener zu Tage getretene Problematik. Die schlechteren Rechtschreibleistungen der Schüler seien auf mehrere Gründe zurückzuführen, so die Gesprächsteilnehmer. Zum einen sei es die breitere Schülerschaft, die heutzutage eine akademische Bildung anstrebe, zum anderen natürlich auch die wachsende Zahl der Schüler, die einen Migrationshintergrund haben. Ein weiterer Grund seien aber auch die veränderten Anforderungen an die heutige Schülerschaft, der mit allerlei anderen Kompetenzen überfrachtete Lehrplan, der dem mühsamen und zeitaufwendigen Üben von richtiger Schreibung keinen Raum mehr lasse.

Auch das in den letzten zehn bis 20 Jahren sehr berühmt gewordene Modell des Schreibens nach Gehör, bei dem Schüler zunächst so schreiben dürfen, wie sie sprechen - fernab jeglicher Rechtschreibregeln -, bevor sie dann das Schreiben nach Regeln lernen, wird teilweise als Auslöser der Rechtschreibkrise gesehen.

Doch egal, welche Gründe die vier Diskussionsteilnehmer für die mangelhafte Rechtschreibung, die zur Realität in Schule, Ausbildung und Beruf geworden ist, anführen, es stellt sich einerseits die Frage, was man tun könne, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, und andererseits die Frage nach der Notwendigkeit von korrekter Rechtschreibung. Letztere Frage beantworten die Teilnehmer unterschiedlich - je nach ihrer beruflichen Erfahrung.

Für den Schauspieler Burghart Klaußner zum Beispiel bedeutet Rechtschreibung Zivilisation. Die Lehrerin und Autorin Ulrike Holzwarth-Raether sieht in der Rechtschreibung eine Art Chancengleichheit, denn wer einer korrekten Schriftsprache mächtig sei, dem könne man in seinen geschriebenen Worten seine Herkunft nicht ansehen. Außerdem sei korrekte Rechtschreibung so etwas wie eine Verpackung, also ein Aushängeschild für den Inhalt. Stimmt die Verpackung nicht, ist man am Inhalt meistens schon gar nicht mehr interessiert bzw. abgelenkt von diesem.

Das Phänomen des ersten Eindrucks kennt man nicht nur von Bewerbungsschreiben, sondern man begegnet ihm permanent im Alltag: Sieht ein Essen nicht appetitlich aus, so zweifelt man auch an seinem Geschmack. Ist eine Werbeanzeige fehlerhaft oder voller Tippfehler, sprechen wir nicht nur ihrem Verfasser jegliche Kompetenz ab, sondern wir sind auch abgelenkt von dem Beworbenen. Die Anzeige hat somit ihr Ziel verfehlt.

Wie wichtig Rechtschreibung ist, haben die vier Experten mit anschaulichen Beispielen und Erfahrungsberichten überzeugend dargelegt. Viel schwieriger gestaltet sich jedoch die Antwort auf die Frage: Was kann man tun? Die Verschriftlichung dieser Podiumsdiskussion richtet sich vordergründig natürlich an Lehrende, die mit ihrem Unterricht wieder mehr den Fokus auf die korrekte Schreibung und das Erlernen von Schriftsprache legen sollen.

Aber auch abseits von Schule und Ausbildung muss ein Umdenken stattfinden. Nicht selten werden diejenigen, die Freunde oder Kollegen auf Rechtschreibfehler aufmerksam machen, als kleinlich bezeichnet. Die Rechtschreibung müsse an dieser Stelle aus dem Bereich des Kleinlichen und hin zu etwas, das erstrebenswert ist, transportiert werden. So fokussiert unsere Gesellschaft an anderer Stelle auf Äußerlichkeiten ist, so wenig ist sie, was Sprache angeht, an diesen Äußerlichkeiten, d.h. an der Verpackung interessiert.

Sabine Mahnel
22.05.2018

 
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Das Buch:

Kathrin Kunkel-Razum u.a.: Warum es nicht egal ist, wie wir schreiben

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Berlin: Dudenverlag 2018
54 S., € 8,00
ISBN: 978-3-411-74296-7

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