Hörbücher
Das Schweigen von Ruppsch
An einem Herbstabend im Jahr 2014 geht auf einem Campingplatz bei Königsstein im Taunus ein Wohnwagen in Flammen auf. Oliver von Bodenstein und Pia Sander werden dort hinbeordert, schließlich wurde in dem abgebrannten Wagen die Leiche eines Mannes aus dem nahegelegenen Ruppertshain gefunden. Die beiden Ermittler gehen zunächst von Brandstiftung aus und spekulieren darauf, dass der Tod des Mannes eventuell einem Versehen geschuldet ist. Doch dann sterben weitere Menschen, eine todkranke Frau wird ermordet und ein Pfarrer stirbt, alle entstammen dem 2000-Seelen-Örtchen Ruppertshain. Oliver von Bodenstein hatte dort seine Kindheit verlebt und ist daher emotional tief in dem Fall verwurzelt. Zusammen mit den Personen, die er und seine Kollegin zu befragen haben, kehren zahlreiche Kindheitserinnerungen in ihm zurück. Vor allem ein alter Fall mit einem verschwundenem Jungen, damals von Bodensteins bester Freund, wird im Zuge der Ermittlungen wieder ausgegraben.
"Im Wald" ist der neueste und mittlerweile achte Taunus-Krimi aus der Feder von Nele Neuhaus, wieder schickt sie ihr Erfolgsduo von Bodenstein und Sander ehemals Kirchhoff ins Rennen. Die Story der Nele Neuhaus wird wohl über kurz oder lang auch einen eigenen Roman nach sich ziehen, ist ihr Aufstieg in die oberste Etage der Bestseller-Autoren doch allzu kometenhaft verlaufen. Im Taunus sesshaft wurde sie einst als Kind durch die Ernennung ihres Vaters zum Landrat des Main-Taunus-Kreises. Ihr Potential als Schriftstellerin wurde lange Zeit selbst in der eigenen Familie recht argwöhnisch bezweifelt, so dass sie ihre ersten Romane auf eigenes Risiko in Auftrag gab und die Exemplare in örtlichen Metzgereien feilbot. Ihren ersten Taunus-Krimi "Eine unbeliebte Frau" veröffentlichte sie vor zehn Jahren, spätestens mit dem vierten Teil hatte sie den Durchbruch geschafft und war mit jedem neuen Buch sofort nach Erscheinen an die Spitze der Charts gestürmt.
Die vorliegende Hörbuch-Ausgabe zu "Im Wald" wurde zeitgleich zur Buchausgabe veröffentlicht, als gekürzte Ausgabe, die sich jedoch angemessen über neun CDs und knapp zwölf Stunden erstreckt. Mit Julia Nachtmann saß dabei bekanntes und bewährtes Personal am Mikrofon. Die deutsche Schauspielerin hat schon so manchen Taunus-Krimi von Nele Neuhaus eingelesen, so dass von Anfang an ein Wiedererkennungseffekt gegeben ist. Auch dieses Mal überzeugt sie wieder mit ihrer stimmlichen Qualität und lässt dank ihres spannenden Vortrags zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen. Ein Manko, mit dem die haptisch anspruchsvolle CD-Box daherkommt, ist leider, dass anders als bei der Buch-Ausgabe kein Personenverzeichnis mitgeliefert wurde. Gefühlt werden in "Im Wald" nahezu alle Einwohner von "Ruppsch", wie der Ortsname im lokalen Dialekt ausgesprochen wird, in die Geschichte eingeführt, was den Hörer und dessen Namensgedächtnis stark fordert.
Neuhaus' neuestes Werk geht nur recht marginal auf die privaten Vorgänge im Umfeld der beiden Protagonisten ein. Abgesehen von einer Auszeit, die von Bodenstein anstrebt, um aus dem Dienst auszuscheiden, fokussiert sich der Vortrag auf die komplexen und vielfältigen Handlungsstränge. Der besorgte Neuhaus-Fan wird sich jedoch fragen, ob "Im Wald" womöglich der letzte Fall von Oliver von Bodenstein sein könnte. Unterm Strich bleibt aber vor allem ein spannender, clever konstruierter und actionreicher Fall, in den mit den Abstechern in die Vergangenheit, rund um das Verschwinden des jungen Artur im Jahre 1972, eine zusätzliche Ebene eingezogen wurde.
Die ertragsorientierte Autorin hat natürlich Sorge dafür getragen, dass keinerlei Vorkenntnisse aus vorangegangenen Büchern erforderlich sind und Neueinsteiger bei "Im Wald" ohne Probleme Zugang zur Serie finden können. Mutmaßlich wird der dadurch angefixte Leser bzw. Hörer sogleich das Versäumte nachholen wollen und sich den sieben Vorgänger-Krimis widmen. "Im Wald" wird garantiert nachhaltig im Gedächtnis haften bleiben, da die Dorfgemeinschaft von Ruppertshain als undurchdringliche Wagenburg gegenüber Außenstehenden eine imposante Kulisse bildet und diese die beiden Ermittler vor die gewaltige Herausforderung stellt, deren Schweigen zu durchbrechen. Insbesondere einheimische Neuhaus-Fans werden sich in der Erzählung glänzend wiederfinden, da die Autorin erneut sehr stark die lokalen Gegebenheiten der Handlungsorte berücksichtigt hat. "Local crime sells", diese These wird von Nele Neuhaus mit "Im Wald" erneut mit Bravour bestätigt.
Christoph Mahnel
28.11.2016