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Der Pariser Kommissar Maigret zählt seit seinem ersten Auftritt im Jahre 1929 zweifelsohne zu den berühmtesten Ermittlern der Literaturgeschichte. Die Belletristik-Kriminalisten mögen sich trefflich darüber streiten, ob das im viktorianischen England beheimatete Kombinationsgenie Sherlock Holmes oder der gleichsam scharfsinnige und einfühlsame Kommissar vom Quai des Orfèvres den obersten Platz im Olymp der fiktiven Ermittler einnehmen möge. Doch eines ist gewiss, einer wie Maigret ist eine Jahrhunderterscheinung und wird sicherlich kein zweites Mal geschaffen werden.

Der Belgier Georges Simenon hatte mit "Maigret und Pietr der Lette" im Winter 1929/30 den ersten seiner insgesamt 75 Maigret-Romane niedergeschrieben. Der letzte, "Maigret und Monsieur Charles", folgte übrigens mehr als vier Jahrzehnte später. Eine derart lange und intensive Schaffensperiode wird wohl auf ewig seinesgleichen suchen. Darüber hinaus hat Simenon mit Maigret einen Typus Kommissar geschaffen, der zwar oft kopiert wurde, jedoch unerreicht blieb. Mit seiner einfühlsamen Art, die Täter verstehen zu wollen, hat er stets die ihm angetragenen Fälle lösen können.

Der Audio Verlag hat in der vorliegenden Box fünf Radiohörspiele mit Kommissar Maigret gebündelt und dieser Tage eine Neuauflage der Erstveröffentlichung von 2005 auf den Markt gebracht. Die Hörspiele selbst haben bereits viele Jahrzehnte mehr auf dem Buckel. Die vier Hörspiele "Maigret und seine Skrupel", "Maigret und der gelbe Hund", "Maigret und die Bohnenstange" sowie "Maigret und die Groschenschenke" sind Bearbeitungen von Gert Westphal für den Rundfunk aus dem Jahre 1961. Damals liefen diese Hörspiele mit Paul Dahlke als Sprecher des Protagonisten im Bayerischen Rundfunk. Dagegen ist das fünfte Hörspiel "Maigret und die schrecklichen Kinder" eine Produktion des RIAS Berlin aus dem Jahre 1958. Es unterscheidet sich von den vier übrigen Hörspielen vor allem darin, dass hier ein Erzähler zu Wort kommt, während die anderen Hörspiele vollständig von ihren Dialogen leben.

Die in den fünf Hörspielen zum Einsatz gekommenen Stimmen sind eine Art Zeitreise in die Vergangenheit des bundesdeutschen Funk und Fernsehens. Während der ehemalige Schauspieler Paul Dahlke sich bereits nach wenigen Minuten als die perfekt zu Kommissar Maigret passende Stimme im Ohr des Hörers festsetzt, erwarten diesen noch so manch akustische Aha-Erlebnisse. Wenn einem etwa Klausjürgen Wussow als Dr. Michoux in "Maigret und der gelbe Hund" oder Hans Clarin als Kleinganove Albert in "Maigret und die Bohnenstange" über den Äther entgegenschlägt, dann sorgen die unverkennbaren Stimmen sogleich für Gänsehautatmosphäre und wecken darüber hinaus so manche Kindheitserinnerung. Alles in allem lässt sich den fünf Hörspielproduktionen auch aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts erstklassiges Handwerk attestieren.

Der Wirkungskreis von Jules Maigret beschränkte sich keineswegs auf die französische Hauptstadt. Aufgrund seiner Berühmtheit wurde er auch manches Mal in der französischen Provinz angefragt, um dort die scheinbar unlösbaren Nüsse zu knacken. Zwei der fünf hier behandelten Fälle beinhalten einen solchen Transfer Maigrets. In "Maigret und der gelbe Hund" rätselt er vor Ort über eine Serie von Anschlägen auf Bürger der bretonischen Kleinstadt Concarneau. Dagegen wird er in "Maigret und die schrecklichen Kinder" vom Hauptverdächtigen, dem Dorfschullehrer von Saint-André-sur-Mer bei La Rochelle im Westen Frankreichs, persönlich aufgesucht, damit Maigret dessen Unschuld beweisen möge.

Maigrets Methoden kommen selbst etliche Jahrzehnte nach seinem Erschaffen und Wirken keineswegs antiquiert rüber, eventuell mag man sich ob so mancher Äußerung von Maigret oder weiteren handelnden Personen glücklich darüber schätzen, dass sich die Welt inzwischen weiter gedreht hat. Doch ist es schlicht pure Faszination, die von den vorliegenden Hörspielen ausgeht. Wie schon die vollständige Neuauflage aller Maigret-Romane nebst einiger ausgewählter Hörbuch-Lesungen durch den Diogenes Verlag vor einigen Jahren wird auch diese Hörspielbox eine Sogwirkung entfalten und den Maigret-Fan als solchen bestätigen und jeden anderen garantiert zu einem Maigret-Fan werden lassen.

Christoph Mahnel
18.08.2014

Georges Simenon: Maigret - Die besten Fälle

Sprecher: Paul Dahlke, Klausjürgen Wussow, Hans Clarin, Horst Frank u.v.a.
Berlin: DAV, Berlin 2014
Spielzeit: 305 Min., € 19,99
ISBN 978-3-862-31420-1

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