Hörbücher

Werkgetreue Hörspieladaption

1906 veröffentlichte der Ingenieur und später dann promovierte Philosoph Robert Musil seinen ersten Roman im Wiener Verlag. Der Erfolg der "Verwirrungen des Zöglings Törleß" veranlasst ihn dazu, seine akademische Karriere niederzulegen und fortan als freier Schriftsteller, Dramatiker und Theaterkritiker zu arbeiten. Heute ist Musil hauptsächlich für sein unvollendetes Magnum Opus "Der Mann ohne Eigenschaften" aus dem Jahr 1931 bekannt.

Der junge Törleß besucht zusammen mit seinen Kameraden Reiting und Beineberg ein Militär-Internat in der österreichischen Provinz. Eines Tages entdecken die Kameraden, dass einer ihrer Mitschüler, der etwas jüngere Basini, stiehlt. Anstatt den Vorfall dem Direktor zu melden, behalten die Jungen die Straftat für sich, um den Mitschüler in ihrer Gewalt zu haben. Während Törleß zunächst nur ein unbeteiligter Zuschauer ist, wenn Reiting und Beineberg den Delinquenten Basini in einer abgelegenen Kammer des Internats foltern und sexuell misshandeln, übernimmt er schon bald einen aktiven Part in diesem sadistischen Spiel. Anders als seine Kameraden ist er jedoch weniger daran interessiert, den Dieb körperlich zu malträtieren. Er foltert ihn vielmehr psychisch, indem er ihn immer wieder mit Fragen zu seinen Beweggründen und seinem Innenleben quält.

Musils Erstlingswerk beschreibt den Findungsprozess und die Sinnsuche von Jugendlichen mittels des Mechanismus von Grenzerfahrungen. Vor dem Hintergrund der untergehenden K.-u.-k.-Monarchie und den großen Umwälzungen politischer und gesellschaftlicher Natur, die der Bevölkerung zu dem Zeitpunkt bevorstanden, stellt Musil mit Törleß und seinen Kameraden junge Männer vor, die sich und ihren Platz innerhalb der Gesellschaften finden und behaupten wollen.

Hörspieladaptionen bergen genauso wie Filmadaptionen die Gefahr, das Werk so stark zu verändern, sei es durch Kürzungen oder umgeschriebene Passagen, dass es sich vom Original sehr weit entfernt. Nicht so bei dieser aktuellen Hörspielproduktion vom SWR und Österreichischen Rundfunk, in der nichts – entgegen vieler Hörspielbearbeitungen aus den vergangenen Jahrzehnten – nachgedichtet oder mundgerecht umgeschrieben wurde. Das heißt, alle Sätze und Formulierungen sind Musils Originaltext, wenngleich die Handlung natürlich gestrafft werden musste, d.h. Passagen weggelassen wurden. Um Musils Roman für die szenische Darstellung in einem Hörspiel interessanter zu machen, wurde jedoch eine Veränderung des Originaltexts vorgenommen: Textpassagen, die ursprünglich erlebte Rede waren, wurden teilweise ins Präsens gesetzt und den jeweiligen Figuren szenisch oder als innerer Monolog in den Mund gelegt.

Den beiden Rundfunkstationen ist mit dieser Hörspiel-Neubearbeitung eine sehr werkgetreue und dennoch in der szenischen Form des Hörspiels bestens funktionierende Produktion mit hervorragender Besetzung und musikalischer Untermalung gelungen.

Sabine Mahnel
31.03.2014

 
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Das Buch:

Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

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Sprecher: Michael Rotschopf, Stefan Konarske, Manuel Rubey u.v.a.
Berlin: Audio Verlag 2014
Spielzeit: 167 Min., € 16,99
ISBN: 978-3-86231-334-1

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