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Vom Ende einer Familie und eines Reiches

Ein von Johann Strauss komponierter und jedermann bekannter Armeemarsch ist namensspendend für dieses bedeutende Werk Joseph Roths. Mit seiner Uraufführung im Jahre 1848 fällt der Radetzkymarsch zeitlich gesehen in dieselbe Epoche, in der auch Roths "Radetzkymarsch" seinen Ursprung hat: 1859 in der Schlacht von Solferino rettet der Leutnant Joseph Trotta heldenhaft und unter Einsatz seines Lebens den österreichischen Kaiser Franz Joseph I. Diese Tat wird die Familie Trotta bis ans Ende ihrer Tage prägen. "Radetzkymarsch" umspannt die Geschichte dreier Generationen der Familie Trotta bis zum Ableben des Enkels des Helden von Solferino auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs.

Joseph Roth wurde 1894 am Rande des österreichisch-ungarischen Imperiums in der galizischen Grenzstadt Brody geboren, ähnlich der Garnisonsstadt, in der Leutnant Carl Joseph von Trotta jahrelang seinen Dienst versieht. Der 1932 erstmals erschienene "Radetzkymarsch" gilt als das bedeutendste Werk Joseph Roths und thematisiert mit dem Ende der Monarchie und dem daraus resultierenden Verlust des Vaterlandes ein ganz zentrales Thema in Roths Schaffen. An der kurzen Blütezeit der Familie Trotta in den letzten fünfzig Jahren Österreich-Ungarns arbeitet Roth parallel die Unaufhaltsamkeit des bevorstehenden Endes heraus.

Das vorliegende Hörbuch, das zu gleichen Teilen auch ein Hörspiel ist, wurde bereits 1962 von WDR und SWF herausgegeben und in einer neu aufgelegten Bearbeitung durch "Der Audio Verlag" (DAV) wieder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es liest der junge Klausjürgen Wussow, und man hat aufgrund der jugendlich anmutenden Stimme Wussows zunächst Probleme, das altbekannte Timbre Professor Brinkmanns aus der Schwarzwaldklinik herauszuhören. Dafür jongliert Wussow höchst gekonnt mit seiner Stimme: Er liest konstant ungleichförmig, mal beschleunigt er unterstützt durch das anziehende Tempo des im Hintergrund intonierten Radetzkymarsches, mal wird er leiser, um die Aufmerksamkeit des Hörers auf sich zu ziehen, mal wird er lauter, um die Unzweifelhaftigkeit des Gesagten zu unterstreichen. Das vorliegende Werk ist eine genial konzipierte und hervorragend umgesetzte Produktion: Sie bindet gekonnt die Hörspielelemente in die Lesung mit ein, wobei sich mitunter Wussows Lesung und die von anderen Personen gesprochenen Dialoge im Sekundentakt abwechseln und Hörbuch und -spiel letztlich verschmelzen.

Mit dem Radetzkymarsch befindet man sich über die drei CDs hinweg in ständiger Begleitung des musikalischen Themas. Insbesondere bleibt das Erklingen des Marsches in den Sekunden des Todes des Enkels des Helden von Solferino beim Hörer nachhaltig zurück, da es sich zeitgleich in die Erinnerungen des sterbenden Leutnants Carl Joseph von Trotta an die sonntägliche Marschkapelle vor seinem Elternhaus mischt. Die vorliegende Produktion des "Radetzkymarsch" ist eine brillante und höchst empfehlenswerte Umsetzung des Meisterwerks von Joseph Roth. Es handelt sich hierbei um einen Juwel deutscher Hörbuchkunst, der auf eine Stufe mit der Produktion des Bayrischen Rundfunks von Thomas Manns "Der Zauberberg" zu stellen ist, da es auch hier vorbildlich gelingt, hochwertige Literatur auf eine unvergessliche Art und Weise zugänglich zu machen und gleichzeitig Lust auf die - falls noch nicht geschehen - anschließende Lektüre des Originals macht.

Christoph Mahnel
03.05.2010

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