Hörbücher

Geschichte einer jüdischen Familie in Krisenzeiten

Frankfurt im Januar 1900. Familie Sternberg ist gerade eben erst in die Rothschildallee Nummer 9 im wohlhabenden Stadtteil Nordend gezogen. Betsy, die geliebte Ehefrau des Familienoberhaupts und Tuchhändlers Johann Isidor, ist zum zweiten Mal schwanger, als die Geschichte der jüdischen, gut betuchten Familie beginnt.

Der Umzug ist geschafft, ein neues Kindermädchen wird eingestellt und es reifen Ideen für unternehmerische Großprojekte. Auf dem ältesten Sohn Otto ruhen alle Hoffnungen des Vaters, ein anerkanntes und vollwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft zu werden. Aus diesem Grunde wird Otto auf die beste Schule der Stadt geschickt und weitreichend gefördert. Die beiden später geborenen Zwillinge hingegen werden verwöhnt, verhätschelt und getätschelt, sind sie doch die Nesthäkchen der Familie. Und so verläuft das Leben der Familie Sternberg in recht ruhigen, geregelten Bahnen. Der Reichtum wird vermehrt - Johann Isidor hat u. a. in einen Verlag investiert - und kleinere Belanglosigkeiten prägen den Alltag.

Doch ändert sich diese idyllische Lebensweise, als die Familie beim Kuraufenthalt in Baden-Baden im Juni 1914 von dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo erfährt. Dieser Anschlag verändert im Bruchteil eines kleinen Momentes die zukünftigen Lebensumstände nicht nur der Familie, sondern der ganzen deutschen Bevölkerung. Denn nicht nur Österreich-Ungarn zieht in den Krieg, sondern auch Deutschland ruft als Verbündeter der Donaumonarchie zu den Waffen. Johann Isidor sieht den großen Moment für die gesamte jüdische Bevölkerung gekommen. Endlich werden die Juden als Deutsche angesehen, als Gleichgestellte! Otto tritt in den Kriegsdienst und wird gegen die Ausländer kämpfen müssen. Das Idyll gerät endgültig ins Wanken, als der Familie wenige Zeit später Ottos Tod mitgeteilt wird. Die Mutter konnte sich noch nicht einmal von ihrem Sohn verabschieden, und der Vater wird von Gewissensbissen geplagt. Doch dies sind nicht die einzigen Veränderungen: Nahrungsmittelrationierungen sind an der Tagesordnung, die 15-jährige Klara arbeitet freiwillig in einem jüdischen Krankenhaus und ihr Zwillingsbruder möchte nicht Arzt, wie von seinem Vater gewünscht, sondern Künstler, Maler werden.

Doch nicht nur traurige Momente zeichnen das Leben dieser nach wie vor gut betuchten Familie aus, sondern gleichfalls glückliche. Es mag zwar verwerflich sein, dass das Familienoberhaupt eine langjährige Liebesaffäre mit einer Angestellten unterhält. Doch geht aus dieser Beziehung ein kleines, wundervolles Mädchen namens Anna hervor, das Johann Isidors Leben grundlegend bereichert. Doch nicht nur die kleine Anna erblickt das Licht der Welt in den Wirren des Ersten Weltkrieges, auch Johann Isidors Frau Betsy bekommt ein süßes Töchterchen. Und diese beiden Mädchen geben dem Patriarchen die Kraft, für sein Leben zu kämpfen, auch wenn dies gegen die gegebenen Regeln sein sollte.

Die bezaubernde Stimme der Erzählerin Marina Köhler unterstreicht auf harmonische Weise die historische Handlung. Stefanie Zweigs imposantes Familienporträt in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wird zudem mit der Einspielung klassischer Musik untermalt. Dabei erfolgt zugleich eine ausführliche Betrachtung der Stadt Frankfurt selbst, mit ihren Straßen und Geschäften. Ist der familiäre Alltag anfangs geprägt von Prunk und Reichtum, zeigt sich in den folgenden Jahren des Ersten Weltkrieges, dass ein einziger Moment ein ganzes Leben verändern kann. Dabei macht insbesondere der Tuchhändler Johann Isidor Sternberg eine starke Veränderung durch: vom idealistischen, kämpferischen Juden, der die Chance für sein Volk gekommen sieht, zum desillusionierten Vater, der seinen Ältesten schmerzlich vermisst und beginnt, gegen den Staat zu arbeiten.

Susann Fleischer
09.03.2009

 
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Das Buch:

Stefanie Zweig: Das Haus in der Rothschildallee

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Sprecher: Marina Köhler
München: audio media verlag 2008
Spielzeit: 520 Min., € 29,95
ISBN: 978-3-868-04511-6

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