Hörbücher
Kluftinger spricht Tacheles
Unter der Leitung des Interims-Polizeipräsidenten Kluftinger findet eine groß angelegte Terror-Übung im beschaulichen Alpenvorland statt. Alles läuft soweit nach Plan, bis plötzlich die Leiche eines Polizisten aufgefunden wird. Zwar war der Tote gar nicht für die Übung eingeteilt, doch ist die Aufregung verständlicherweise groß und inmitten der Turbulenzen muss sich Kommissar Kluftinger der Verantwortung stellen. Wie konnte die Übung derart aus dem Ruder laufen, so dass am Ende ein toter Polizist zu beklagen ist? Sehr schnell wird klar, dass es sich hierbei offensichtlich um keinen Unfall handelte. Der Tote war darüber hinaus einschlägig bekannt dafür, Reichsbürgern, Corona-Leugnern und anderen Irrlichtern nahezustehen. Außerdem war er wohl das Gegenteil von jedermanns Liebling. An Motiven und möglichen Tätern scheint es demnach nicht zu mangeln.
Die Polizeiarbeit fordert somit den ganzen Kluftinger. Dumm nur, dass dieser gerade seine lokalpolitische Karriere gezündet hat. Für die anstehende Gemeinderatswahl hat sich Kluftinger von seinen Parteifreunden breitschlagen und aufstellen lassen, auf einem hinteren Platz wohlgemerkt, um die Kandidatenliste gefüllt zu bekommen, ein klassischer Lückenbüßer. Doch nachdem Kluftinger spitzbekommen hat, dass sich sein Intimfeind Dr. Langhammer ebenfalls hat nominieren lassen und dieser einen großkopferten Wahlkampf begonnen hat, ist der Kampfeswille in Kluftinger zum Leben erwacht. Mit aller Macht will er nun mehr als ein Lückenbüßer sein und in den Gemeinderat einziehen, was das eine oder andere Duell mit Langhammer mit sich bringt.
"Lückenbüßer" lautet passenderweise der Titel des dreizehnten Kluftinger-Romans aus der Feder der Allgäuer Erfolgsautoren Volker Klüpfel und Michael Kobr. Vor mehr als zwanzig Jahren hatten sie ihren ersten Kluftinger-Roman "Milchgeld" herausgebracht, als noch niemand ahnen konnte, dass sich daraus eine derartige Erfolgsstory entwickeln sollte. Einige Romane sind bereits für das Fernsehen verfilmt worden, eine wahre Kluftinger-Manie hat Altusried und das Oberallgäu mit etlichen Ehrbekundungen wie Touristenführungen für Fans erfasst. Ein Ende dieses Hypes ist nicht abzusehen, auch wenn die beiden Autoren mittlerweile hin und wieder eigene schriftstellerische Pfade betreten. Circa alle zwei Jahre erscheint dennoch ein sehnlichst erwarteter neuer Fall für den etwas eigenbrötlerischen Charmebolzen aus Altusried.
Parallel zur Buchausgabe hat Hörbuch Hamburg eine ungekürzte Hörbuchausgabe herausgebracht. Auf neun CDs findet sich die knapp zwölf Stunden dauernde Lesung wider. Die beiden Autoren haben es sich glücklicherweise wieder nicht nehmen lassen, selbst mitzuwirken und einige der liebgewonnenen Charaktere zu sprechen. Für die Lesung der Hintergrundgeschichte der Hörbuch-Umsetzung zeichnet zum mittlerweile vierten Mal Martin Umbach verantwortlich. Der erfahrene Schauspieler und Synchronsprecher sorgt mit seiner Stimme, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzt, für den roten Faden in der Lesung von "Lückenbüßer". Wenn Handlungen einsetzen und Kluftinger, die Erika oder die Mama die Bühne betreten, dann lassen Klüpfel und Kobr ihren Allgäuer Dialekt aufblitzen und verleihen dem Hörbuch unweigerlich ganz viel Authentizität und einen leichten Hörspiel-Charakter.
"Lückenbüßer" ist wie nicht anders zu erwarten wieder ein absoluter Volltreffer und Angriff auf die Lachmuskeln. Doch es sind nicht nur die Gags, wenn beispielsweise Kluftinger feststellt, dass es seine Brotdose ist, die monatelang im Kühlschrank der Polizeistation vor sich hin geschimmelt ist, mit denen Klüpfel und Kobr überzeugen. Dieses Mal brillieren sie auch mit Statements zu gesellschaftlichen Themen, die in Kluftingers Sprache gepackt sind und daher zielsicher sitzen. Denn auch in Kluftingers Kosmos ist die Welt beileibe nicht mehr in Ordnung, und gerade dann braucht es anerkannte Männer wie ihn, die die Dinge beim Namen nennen und erklären, dass es so nicht weitergeht. Respekt für Kluftinger und Chapeau für die beiden Autoren, die in "Lückenbüßer" sehr treffend Missstände ansprechen, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.
Christoph Mahnel
18.11.2024